Horst Seehofers Chaos-Plan


Bundesinnenminister Seehofer hat seinen lange angekündigten „Masterplan“ Migration vorgestellt – allerdings ist das Papier bereits veraltet. Irritierenderweise stellt der Minister seinen 63 Punkte umfassenden „Plan“ vor – ohne die Einigung mit dem Koalitionspartner SPD vom 5.7. 2018 zur Zurückweisung an der Grenze aufzunehmen. Horst Seehofer hält trotz des Streits mit der SPD an dem Begriff „Transitzentren“ bei den Zurückweisungen von Asylantragstellern an der deutsch-österreichischen Binnengrenze fest. Das ist schon eine deutliche Brüskierung der SPD!

Seehofer begründete dies auf der Pressekonferenz mit den Worten: „Das ist ja kein Masterplan der Koalition, sondern ein Masterplan dieses Hauses unter meiner Verantwortung.“ Alles was in der Umsetzung europäisch, national durch den Bund oder in Zusammenarbeit mit den Ländern erfolge, „wird hier dann nicht aufgenommen“.

SEEHOFERS ALLEINGANG

Der „Masterplan“ Migration wurde bislang weder mit den Ressortkolleginnen und –kollegen im Bundeskabinett abgestimmt, geschweige denn mit den Bundesländern. Der Plan sieht eine deutliche Verschärfungen des Asylrechts in Deutschland vor. Zudem plant Seehofer starke Einschränkungen bei den Sozialleistungen für Flüchtlinge sowie die Ausweitung von Sanktionen. Viele der in Seehofers Plan genannten Punkte betreffen Zuständigkeiten der Bundesländer, z.B. die Unterbringung von Geflüchteten, die Leistungsgewährung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder die Rückführung ausreisepflichtiger Personen.

INTEGRATION? FEHLANZEIGE!

Der heute vorgestellte Katalog mit Asylrechtsverschärfungen ist keine Antwort auf die drängenden Fragen in der Migrations- und vor allem der Integrationspolitik. Der „Masterplan“ wird für weitere Auseinandersetzungen in der Koalition sorgen, indem er den Koalitionspartner SPD mit dem Begriff Transitzentren provoziert, und er stiftet Chaos in Europa, indem er die Verantwortung für die Durchführung von Asylverfahren auf Staaten wie Italien und Österreich abwälzt, die bereits ihre Ablehnung signalisiert haben.

Der „Plan“ von Horst Seehofer geht in die völlig falsche Richtung: Seehofer sieht Geflüchtete, nicht als Menschen, die Zuflucht und Unterstützung benötigen, sondern will sie in erster Linie von Deutschland fernhalten. Wir brauchen Humanität und Rechtsstaatlichkeit in der Flüchtlingspolitik.

DER „PLAN“ SCHAFFT WEITERE PROBLEME

Der Kardinalfehler ist, dass sich bei Horst Seehofer alles nur um Abschottung, nicht aber um Integration dreht, sondern diese im Gegenteil immer mehr behindert. In Seehofers Chaosplan findet sich kein Wort zur Unterstützung von Ländern und Kommunen – oder den vielen Ehrenamtlichen, die den Geflüchteten helfen. Es gibt in Seehofers Plan keine Ermöglichung sicherer Fluchtwege und keine Maßnahmen, wie das grauenvolle Sterben im Mittelmeer endlich beendet werden kann. Das ist ein Plan, der mehr Probleme schafft als löst.

Der Vertreter des UNHCR in Deutschland, Domenik Bartsch kritisiert denn auch Horst Seehofers Vorhaben heute mit deutlichen Worten:

„Der Plan konzentriert sich nur auf Verschärfungen bei der Verwaltung und in Verfahrensfragen und vernachlässigt das Wichtigste: den Menschen. Ein Bekenntnis zum Schutz von Menschen, die in ihrem Herkunftsland bedroht sind, fehlt völlig. Die entscheidende Frage muss sein, wie man Flüchtlinge effektiv schützt, nicht wie man sie möglichst schnell abwickelt und die Verantwortung am besten anderen zuschiebt.“ (Quelle: UNHCR)

„ANKER-ZENTREN“ WIDERSPRECHEN INTEGRATION

Besonders bedenklich sehen wir das flüchtlingspolitische Prestigeprojekt des Bundesinnenministers, nämlich die Einrichtung so genannten Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen für Asylsuchende (AnkER-Zentren) auf Bundesebene, sowie deren Einrichtung in einzelnen Bundesländern als „Pilotzentren“ im Herbst 2018 voranzutreiben. Den Plänen zufolge sollen die Zentren jeweils 1000 – 1500 Personen aufnehmen können. In Schnellverfahren soll über Asylanträge innerhalb von 48 Stunden beim BAMF entschieden werden. Eine vernünftige Vorbereitung auf die Anhörung ist in einer solch kurzen Frist nicht machbar. Asylsuchende sollen gezwungen werden, in den AnkER-Zentren bis zum rechtskräftigen Abschluss ihres Asylverfahrens zu verbleiben. Das kann aber viele Monate – oftmals sogar Jahre – dauern, wenn z.B. die Klage gegen den Ablehnungsbescheid vor den überlasteten Verwaltungsgerichten hängt. Die Erfahrung mit den bisherigen bayerischen Großeinrichtungen zeigt zudem: Die Kasernierung von so vielen Menschen mit unsicherer Bleibeperspektive und ohne Beschäftigung über einen so langen Zeitraum führt zwangsläufig zu einer Zunahme von Konflikten, psychischen Belastungen und Erkrankungen. AnKER-Zentren sind staatlich organisierte Integrationsverweigerung.

Wir haben diesen Ansatz schon in den Jamaika-Sondierungsgesprächen mit Union und FDP klar abgelehnt, weil diese Zentren das Symbol für Ausgrenzung und Stigmatisierung von Geflüchteten sind.

Wir lehnen das Konzept der AnKER-Zentren auch heute noch ab.

Denn diese Zentren werden die Probleme nicht lösen, die wir bei der derzeitigen Arbeitsweise des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge mit fehlerhaften Asylbescheiden tagtäglich erleben.

NOTWENDIG WÄRE QUALITÄTSOFFENSIVE BEIM BAMF

Daher braucht es aus unserer Sicht eine Qualitätsoffensive für das BAMF. Dazu müssen die Asylverfahren in Ankunftszentren gerecht und effizient gestalten werden und eine kostenfreie, unabhängige und qualifizierte Asylverfahrens- und Rechtsberatung vor jedem Asylverfahren eingeführt werden. So sieht es auch der Koalitionsvertrag der GroKo vor – bezeichnenderweise findet sich dieser wichtige Aspekt aber nicht mehr in Horst Seehofers Katalog.

Wer Asylverfahren einfach nur „auf Biegen und Brechen“ beschleunigen will, kommt zu falschen Ergebnissen. Und die müssen dann erst mühsam und zeitaufwändig vor Gericht korrigiert werden. Dort führt die hohe Zahl der Klagen dann wiederum zu einem Verfahrensstau mit langen Wartezeiten auf die gerichtliche Entscheidung.

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