Corinna Rüffer: Für Geflüchtete mit Sinnesbeeinträchtigung gibt es Integrationskurse nur in knapp mehr als der Hälfte der Bundesländer (in 9 der 16 Länder). Weite Anfahrtswege führen dazu, dass wenige Personen die Kurse beginnen. Wer beispielsweise in Trier wohnt, muss eine Fahrt nach Frankfurt a.M., Köln oder Heidelberg in Kauf nehmen. So haben behinderte Geflüchtete oftmals de facto keinen Zugang zu Integrationskursen – selbst wenn die Berechtigung zur Teilnahme besteht. Dass manche Bundesländer keine speziellen Integrationskurse anbieten ist auch deshalb ein Problem, weil Geflüchtete verpflichtet sind, drei Jahre in dem Bundesland zu wohnen, in dem sie ihr Asylverfahren durchlaufen haben (sog. Wohnsitzauflage).
Schätzungsweise besucht nicht mal die Hälfte der gehörlosen Geflüchteten einen Integrationskurs. In ihrer Antwort auf unsere Kleine Anfrage gibt die Bundesregierung an, seit 2015 hätten 127 Personen einen Kurs belegt (Antwort auf Frage 1, Tab. 2). Dem Deutschen Gehörlosenverbänden sind allerdings 340 gehörlose Geflüchtete bekannt. Das Netzwerk „Deaf Refugees Welcome“ geht sogar von etwa 900 Personen aus.
Über den Zugang von blinden oder sehbeeinträchtigten Geflüchteten zu Integrationskursen ist der Bundesregierung kaum etwas bekannt (Antworten auf die Fragen 13 – 20).
Die Bundesregierung sieht trotzdem keine Engpässe beim Zugang zu den Kursen, ein bundesweites Angebotsdefizit bestehe nicht (Antworten auf Fragen 5, 6 und 16). Sie verhält sich wie ein Gastgeber, der eine halbe Tüte Chips für 20 Personen bereitstellt und behauptet, so würden alle satt.
Damit sich Geflüchtete mit Sinnesbeeinträchtigung in Deutschland verständigen und hier ankommen können, muss es für sie real möglich sein, einen Integrationskurs zu besuchen. Besonders die Union ist schnell dabei, Forderungen an Geflüchtete zu stellen. Es ist mehr als peinlich, wenn eine unionsgeführte Bundesregierung gleichzeitig die dafür nötige Unterstützung verweigert.
Die Bundesregierung verhindert eine inklusive Gesellschaft, weil sie die Unterversorgung hartnäckig leugnet. Dazu trägt insbesondere die fehlende Registrierung besonders schutzbedürftiger Personen bei – obwohl die EU-Verfahrensrichtlinie das sogar vorschreibt. Hier stiehlt sich die Bundesregierung aus der Verantwortung, indem sie die Aufgabe den Ländern überlässt.
- Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage „Integrationskurse für Geflüchtete mit Sinnesbeeinträchtigung“ (Pdf), Bundestags-Drucksache 18/13348, 18.08.2017