Das französische AKW Cattenom mit vier Reaktoren ist eines der gefährlichsten Atomkraftwerke an den Grenzen zu Deutschland. Wir fordern schon lange: Sofort Abschalten! Der Betreiber EDF spielt die Probleme seit jeher herunter und arbeitet momentan sogar am Langzeitbetrieb von Cattenom.
Der geplante Weiterbetrieb stellt aus unserer Sicht eine nicht zu verantwortende Gefährdung der Menschen in der Region dar. Im Interesse der Schadensvorsorge haben wir deswegen den sexperten Professor Dr. Manfred Mertins beauftragt, die gravierendsten Defizite der Anlage zu identifizieren und fachlich zu bewerten. Er untersuchte dabei auch, ob Cattenom wenigstens die europäischen Mindestanforderungen erfüllt.
CATTENOM NOCH GEFÄHRLICHER ALS BEKANNT
Die Ergebnisse des Gutachtens sind alarmierend. Denn Cattenom erfüllt wichtige Anforderungen nicht. So gibt es Defizite bei sicherheitstechnischen Einrichtungen zur Wärmeabfuhr sowie der Notstromversorgung. Mehrere sicherheitstechnische Einrichtungen sind „vermascht“, das heißt nicht unabhängig und voneinander getrennt. Damit besteht das Risiko, dass bei einem Fehler nicht nur eine Einrichtung, sondern gleich mehrere ausfallen. Laut Professor Mertins kann für das AKW Cattenom sowohl hinsichtlich Erdbeben als auch Überflutung keine ausreichende Widerstandsfähigkeit bestätigt werden: Wichtige sicherheitsrelevante Einrichtungen sind nicht für seismische Einwirkungen qualifiziert, würden also ausfallen. Der Schutz gegen Einwirkungen aus einem Flugzeugabsturz ist zum Beispiel in Bezug auf die Lagerung abgebrannter Brennelemente im Vergleich zu deutschen Anlagen geringer ausgeführt.
Eine von der französischen Atomaufsicht geforderte Nachrüstung, der sogenannte „Hardened Safety Core“, entlarvt das Gutachten als zweifelhafte Beruhigungspille: Nachgerüstet würde frühestens ab 2020. Zudem ist eine „Verschlimmbesserung“ nicht ausgeschlossen. Denn ob die versprochene Nachrüstung aktuellen Anforderungen entspricht, ist unbelegt, und Aussagen zur Kompatibilität mit der bestehenden Anlagenauslegung sind nicht verfügbar. Die Gefahr ist daher, dass die Nachrüstung den schon vorhandenen Schutzeinrichtungen unbeabsichtigt in die Quere kommt und diese dann nicht mehr richtig funktionieren. Im schlimmsten Fall können fehlerhafte Nachrüstungen sowohl die bisherigen Systeme als auch sich selbst lahm legen.
Die von Professor Mertins aufgedeckten Mängel führen zu dem Ergebnis: Eine ausreichend zuverlässige Störfallbeherrschung ist im AKW Cattenom nicht gegeben. Das ist quasi als würden bei einem Auto ausgerechnet die Bremsen nicht funktionieren. Deshalb kann es nur eine Konsequenz geben.
CATTENOM MUSS SOFORT STILLGELEGT WERDEN!
Wir Grüne im Bundestag fordern die Stilllegung Cattenoms schon länger. Bereits in der letzten Wahlperiode haben wir dazu einen Antrag eingebracht. Vor dem Hintergrund der alarmierenden Gutachtenergebnisse haben wir erneut die Initiative ergriffen. Cattenom muss sofort stillgelegt werden.
Kanzlerin Merkel und die Unionsfraktion sind verantwortlich dafür, dass eine große Chance vertan wurde, Cattenoms abzuschalten: Als das französische Energiewendegesetz erarbeitet wurde, hätte die Bundesregierung auf diesen Punkt beharren können. Doch die Union legt sich seit über drei Jahren quer. Damit zementiert sie das Atomunfallrisiko für den Südwesten der Republik.
DER GUTACHTER
Manfred Mertins ist seit mehr als 30 Jahren als Sachverständiger für AKW-Sicherheit tätig, davon bis zum Ruhestand etwa 25 Jahre bei der Hauptsachverständigenorganisation der Bundesatomaufsicht. In der Fachwelt gilt er als einer der profiliertesten deutschen Sachverständigen für nationale und internationale AKW-Sicherheitsanforderungen. Er war Projektleiter der vom damaligen Bundesumweltminister Jürgen Trittin 2003 initiierten Erarbeitung eines neuen deutschen kerntechnischen Regelwerks, das im November 2012 in Kraft trat. Auf europäischer Ebene entwickelte er im Auftrag der Bundesregierung bei WENRA, einem Gremium europäischer Atomaufsichts- und Genehmigungsbehörden, einen Katalog von Mindestanforderungen an laufende AKW. Er ist Gründungsmitglied von INRAG (International Nuclear Risk Assessment Group), einer von Wolfgang Renneberg und anderen unabhängigen Fachleuten initiierten Vereinigung anlässlich des dritten Jahrestages von Fukushima.
KLEINE ANFRAGEN ZUM THEMA
Deutsch-Französische Kommission zur bilateralen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Atomsicherheit