Griechenlands Platz ist im Euro

Der Grexit ist fürs Erste abgewendet. Der Deutsche Bundestag hat der Aufnahme von Verhandlungen zum Abschluss eines Hilfsprogramms im Rahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zugestimmt. Wir haben einen Antrag eingebracht, in dem wir uns geschlossen für ein drittes Programm und entschieden gegen einen Grexit aussprechen. Für die jetzt anstehenden Verhandlungen haben wir klare Leitlinien vorgelegt, die Griechenlands Zukunft im Euro sichern. Der Reformprozess und die wirtschaftliche Erholung in Griechenland kann nur dann gelingen, wenn das Land die Sicherheit hat, im Euro zu bleiben und die erforderliche Zeit erhält, um verlässliche Rahmenbedingungen, effektive Strukturreformen und notwendige Investitionen zu tätigen.

EUROPA BERUHT AUF SOLIDARITÄT

Die Bundesregierung hat mit ihrem Verhalten und ihrer Verhandlungsstrategie in der entscheidenden Phase der Verhandlungen den Zusammenhalt in Europa und in der Eurozone leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Mit dieser hochriskanten Verhandlungsposition für einen Austritt Griechenlands aus dem Euro hat Bundesfinanzminister Schäuble mit dem Einverständnis von Bundeskanzlerin Merkel und Vize-Kanzler Gabriel die Axt an die Grundwerte der EU gelegt und binnen zwei Tagen den seit Jahrzehnten bestehenden pro-europäischen Parteienkonsens in Deutschland aufgekündigt.

Mit dieser historischen Kehrtwende gefährdet die Bundesregierung Europa und desavouiert 25 Jahre nach der deutschen Einheit die europäische Raison d‘être der Bundesrepublik Deutschland. Wir sind der festen Überzeugung: Kein deutsches Europa, sondern ein europäisches Deutschland muss das Ziel bleiben. Die Bundesregierung muss sich von einer von rein innenpolitischen Interessen getriebenen europäischen Krisenpolitik abwenden und zu dem klaren pro-europäischen Parteienkonsens in Deutschland zurückkehren, die ihrer europapolitischen Verantwortung als Vertreterin des größten EU-Mitgliedstaates gerecht wird. Sie muss pro-europäisch gemeinsame Lösungen vorantreiben, statt sie zu blockieren.

Europa beruht auf Solidarität, gegenseitigem Verständnis und dem Willen, in einem fairen und nachvollziehbaren Verfahren für alle Seiten tragfähige Verhandlungskompromisse zu erzielen. Der europäische Konsens lebt davon, dass das nationale Interesse dem europäischen Interesse untergeordnet wird. Mit dem harten Konfrontationskurs in den Griechenlandverhandlungen ist die Bundesregierung diesen Prinzipien und damit ihrer europapolitischen Verantwortung als größtem EU-Mitgliedstaat nicht gerecht geworden. So geht man mit europäischen Partnern nicht um. Mehr noch, sie hat sich damit gegen ihre wichtigsten Partner Frankreich und Italien und die Europäischen Institutionen gestellt.

SICHERHEIT ÜBER GRIECHENLANDS VERBLEIB IM EURO

Die immer wiederkehrenden Debatten über einen Grexit gefährden die politische und wirtschaftliche Stabilität Griechenlands und erschweren die notwendigen Investitionen. Die andauernden Zweifel, welche Währung, welche Regierung und welche Wirtschaftspolitik Griechenland demnächst haben wird, erweisen sich als Gift für jegliche wirtschaftliche Erholung.

Für eine tragfähige Lösung braucht es gerechte und sinnvolle Strukturreformen, Zukunftsinvestitionen im Sinne eines Green New Deal und sozial und ökologisch gerechte Haushaltskonsolidierung mit einer Stärkung der Einnahmeseite durch ein gerechtes Steuersystem. Griechenland braucht Investitionen in die Zukunft, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen.

Es ist wichtig und richtig, dass die Euro-Staaten grundsätzlich bereit sind, Griechenland auch weiterhin finanziell zu unterstützen. Dennoch bleibt dieses erste Verhandlungsergebnis noch weit hinter den Anforderungen an eine tragfähige und langfristige Lösung für die wirtschaftliche Erholung Griechenlands und dem Verbleib des Landes im Euro zurück. Es bestehen daher Zweifel, dass die bisher bekannten Auflagen für ein drittes Kreditprogramm das Land aus der Krise führen werden. Es ist nicht auszuschließen, dass sich die wirtschaftliche Situation angesichts der geforderten prozyklischen Sparmaßnahmen mittelfristig wieder verschärft und erneut Verhandlungen über Programmanpassungen geführt werden müssen.

STRATEGIEN FÜR DIE LANGFRISTIGE WIRTSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG GRIECHENLANDS

Griechenland wird mittel- bis langfristig weiter Unterstützung durch die europäischen Partner benötigen. Umso wichtiger ist es, nachhaltige Strategien und Lösungen zu erarbeiten, die sich stabilisierend auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes auswirken. Das Ziel der Politik Griechenlands, seiner europäischen Partner sowie der Institutionen von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) muss sein, dass Griechenland wieder auf eigenen Beinen steht. Dabei darf es keinerlei Illusionen geben: Der Weg dorthin ist kein leichter. Umso mehr gilt, dass er nicht unnötig erschwert werden darf und die Reformanforderungen, die an das Land gestellt werden, erfüllbar, finanzierbar und sozial ausgewogen sind.

Der Reformprozess und die wirtschaftliche Erholung in Griechenland müssen so weit unterstützt werden, dass Griechenland seine Schulden auf Basis einer wachsenden Wirtschaft zurückzahlen kann. Die Verpflichtung zu Primärüberschüssen darf nicht durch quasi-automatische Ausgabenkürzungen erwirkt werden, sondern muss stattdessen vom Erreichen des dafür erforderlichen Wachstums der griechischen Wirtschaft abhängig gemacht werden. Sonst droht die Fortsetzung der Abwärtsspirale aus Kürzungen, Schrumpfung der Wirtschaft, verfehlten Einnahmezielen und weiteren Kürzungen.

Der Primärüberschuss im griechischen Haushalt als Dividende einer erfolgreichen Reformpolitik sollte während der Programmlaufzeit für die effektive und nachhaltige Reform der Verwaltung und des Steuersystems, zur Stabilisierung der Wirtschaft und für die Schaffung stabiler Rahmenbedingungen für Investitionen im Sinne eines Green New Deals in Griechenland verwendet werden. Dabei müssen die strukturellen Reformbedarfe in Griechenland adressiert werden statt kurzfristige Sparpolitik einzufordern. Dafür bedarf es einer langfristigen Ausrichtung des Programms und neuer Wege der Haushaltskonsolidierung, welche auch die dramatische soziale Lage in den Blick nimmt.

UMSCHULDUNG UND SCHULDENRESTRUKTURIERUNG

Wir begrüßen, dass es in einem ersten Schritt zu Umschuldungen und Schuldenerleichterungen kommt, die auch Ministerpräsident Tsipras gefordert hat. Im Rahmen eines neuen ESM-Kreditpakets würde Griechenland die finanziellen Mittel erhalten, um während der Programmlaufzeit seine Zahlungsverpflichtungen Griechenlands bei Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) zu bedienen.

Griechenland braucht auch eine Reduzierung seiner Schuldenlast. Das hat der IWF nun nochmals deutlich formuliert und zur Voraussetzung seiner Mitwirkung an einem dritten Hilfsprogramm für Griechenland gemacht. Die Bundesregierung hat immer darauf bestanden, dass der IWF im Boot bleibt. Dann muss sie jetzt auch seinen Rat beherzigen und für eine verbindliche Erleichterung und Restrukturierung der griechischen Schulden eintreten – und zwar ohne zugleich einen Grexit voranzutreiben.

SELBSTBESTIMMUNG IM REFORMPROZESS

Das Programm muss eine griechische Handschrift tragen, es muss im Interesse der griechischen Bevölkerung und seiner Regierung sein. Gerade schwierige Reformprozesse gelingen dann am besten, wenn sie transparent sind und Betroffene systematisch einbeziehen. Die Gewährung von Hilfsgeldern darf die Selbstbestimmung im Reformprozess nicht einschränken.

Obwohl das Vertrauen in das Handeln der griechischen Regierung in den letzten Monaten stark beschädigt wurde, rechtfertigt dies nicht, dass fortan alle Gesetze in wesentlichen Bereichen vorab mit den Institutionen abgestimmt werden müssen. Ein solches Vorgehen ist ein starker Eingriff in die staatliche Souveränität und die Demokratie in Griechenland. Probleme der vertrauensvollen Zusammenarbeit müssen auch durch reine Konsultation behoben werden können.

Es gibt große Zweifel daran, ob der geplante Privatisierungsfonds in seiner Ausgestaltung zu Wachstum und Beschäftigung in Griechenland beitragen kann. Es darf kein Verscherbeln griechischen Staatsvermögens zum kurzfristigen Stopfen von Haushaltslöchern geben.

DIE EU BRAUCHT MEHR GEMEINSAME POLITIK

Die Griechenland-Krise ist ein deutliches Zeichen, dass die EU dringend weitergehende Reformen braucht. Die EU braucht mehr europäische Kompetenzen und vor allem mehr europäische Demokratie. Denn das akute Krisenmanagement war und ist von den Hinterzimmer-Deals der Regierungschefs geprägt, während das EU-Parlament als Herzstück der europäischen Demokratie keine Rolle spielt. Gleichzeitig haben die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger ein in diesem Ausmaß noch nie dagewesenes rhetorisches Aufrüsten in den nationalen Europa-Debatten erlebt.

Europa ist kein Kampf von Nationen. Europa ist mehr als ein bloßes Zweckbündnis und ein gemeinsamer Wirtschafts- und Währungsraum. Europa ist eine Wertegemeinschaft. Und die Vertiefung der EU und ihrer gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsunion ist vor allem auch ein Demokratie- und Integrationsprojekt. Die Krise muss endlich auch durch eine Strategie der demokratischen Integration angegangen werden. Und dafür muss die EU eine echte Wirtschafts- und Währungsunion aller 28 Mitgliedstaaten werden mit mehr europäischen Kompetenzen und mehr europäischer Demokratie.

GRÜNE INITIATIVEN

BUNDESTAGSREDEN ZUM THEMA (17. JULI 2014)

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