Schwarz-Gelbe Ehrenrunde
Die EU-Kommission hat der deutschen Bundesregierung heute ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. Im Rahmen des so genannten „Europäischen Semesters“ beurteilt sie alljährlich die Reformbemühungen der Mitgliedsstaaten. Für Schwarz-Gelb ist das Urteil dabei auch in diesem Jahr eindeutig: mangelhaft.
Stillstand in Berlin verlängert die Krise
Die Bewertung des deutschen Reformprogramms durch die EU-Kommission bescheinigt der Merkel-Regierung mangelhaften Reformeifer und geht hart mit ihr ins Gericht. „So sind dann auch die neuen Empfehlungen mit denen der vorherigen Reformperiode fast identisch. Das ist beschämend“, so der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen Europafraktion, Sven Giegold. „Wenn alle anderen Mitgliedsstaaten den gleichen Mangel an Einsatz zeigen, bleibt die Krise Dauerzustand und Europa kann sich seine EU2020-Ziele abschreiben“, so Sven Giegold. Die EU2020-Ziele der Europäischen Union erstrecken sich auf 5 Bereiche: Beschäftigung, Kampf gegen Klimawandel, Innovation, Bildung sowie Armutsbekämpfung.
Scharfe Kritik besonders an deutscher Steuerpolitik
In der Steuerpolitik mahnt die EU-Kommission vor allem eine Reform des Ehegattensplittings an. Darüber hinaus sei die Abgabenbelastung für Geringverdiener zu hoch. „Diese finanziellen Hürden für das tägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger hat die Bundesregierung ignoriert. Mit dieser Untätigkeit blockiert Schwarz-Gelb Fortschritte in Richtung des EU-2020-Ziels zur Überwindung von sozialer Isolation“, so Giegold.
Stillstand auch in der Arbeitsmarktpolitik
Auch in der Arbeitsmarktpolitik geschehe in Deutschland viel zu wenig. Konkret benennt die EU-Kommission Handwerksberufe. Hier werde noch immer zu wenig getan, um den Zugang zu diesen Berufszweigen zu vereinfachen und damit mehr Wettbewerb zu schaffen. Bei den volkswirtschaftlichen Ungleichgewichten, also den deutschen Exportüberschüssen, traut sich die Kommission aber nicht, ein verantwortungsvolleres Verhalten von der Bundesregierung einzufordern. Die EU-Behörde empfiehlt zwar Lohnsteigerungen, ohne jedoch direkt einen notwendigen Beitrag Deutschlands zum Abbau der Ungleichgewichte zu verlangen.
Kommission vernachlässigt EU-2020-Ziele
Leider ignoriert die EU-Kommission bei ihren Reformvorschlägen Kernforderungen des Europäischen Parlaments. Erst dadurch wird auch das Urteil gegenüber Deutschland milder, als es eigentlich sein müsste. Das Europarlament hatte eingefordert, dass die Mehrheit der Reformmaßnahmen mit den EU-2020-Zielen verknüpft wird. Doch diese Ziele für eine nachhaltigere und sozialere Wirtschaftspolitik sind in den heute veröffentlichten Länderempfehlungen eindeutig unterbelichtet. Außerdem übersieht die Kommission den Nachholbedarf Deutschlands bei der Förderung Grüner Jobs. Die Berücksichtigung dieses Aspekts hatte das Europaparlament ebenfalls eingefordert.
Zukünftig müsste auch deutlicher werden, in wie weit sich ein Mitgliedsstaat ins Zeug gelegt hat, um die von der Kommission erarbeiteten Empfehlungen umzusetzen. „Denkbar wäre z. B. eine Ampel-Grafik, um das Engagement eines Mitgliedslands für alle interessierten Bürgerinnen und Bürger klar offenzulegen“, so der Vorschlag von Sven Giegold.
„Die Bundesregierung muss jetzt nachsitzen und die Reformempfehlungen endlich umsetzen“, fordert der Grüne Finanzexperte abschließend. Auf keinen Fall dürfe man zulassen, dass bei der anstehenden Verabschiedung der Empfehlungen durch den Rat der Mitgliedsstaaten Bremser wie Deutschland die Reformempfehlungen verwässern.
Die Bewertung der deutschen Reformbemühungen und Empfehlungen der Europäischen Kommission finden Sie hier:http://bit.ly/12OhqiE
Zum Hintergrund: Das Europäische Semester
Auf der Basis der Reformempfehlungen der EU-Kommission verabschiedet der Rat im Juni/Juli die länderspezifischen Empfehlungen für die Mitgliedsstaaten. So ist gewährleistet, dass die Mitgliedsländer politische Leitlinien erhalten, bevor sie ihre Haushaltsentwürfe für das folgende Jahr fertig stellen. Wenn Empfehlungen nicht im vorgegebenen Zeitrahmen umgesetzt werden, können politische Warnungen ausgesprochen werden.