Seit einem Jahr ist Peter Altmaier nun Umweltminister, nachdem Kanzlerin Merkel den erfolglosen Norbert Röttgen über Nacht rauswarf. In den vergangenen zwölf Monaten machte Altmaier seinem Ruf als Ankündigungsminister und „Showman“ alle Ehre. Neben seinen Fähigkeiten bei Twitter und in TV-Shows fiel er aber nicht sonderlich positiv auf. Seine privat geschrieben Strategiepapiere – zum Beispiel zur Fortentwicklung des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) – sorgten selbst in seinem eigenen Ministerium für Kopfschütteln. Unvergessen ist auch seine „Eine-Billion-Euro-Rechnung“ als Kosten der Energiewende. Auf die konkreten Berechnungen, wie er zu solch einer Horrorzahl kam, warten wir bis heute.
Altmaiers oberstes Ziel ist und bleibt: sympathisch rüberkommen. Argumente, Realitätsgehalt und die konkrete Umsetzung von Ankündigungen sind egal – solange es für die Abendnachrichten reicht. Im Folgenden werfen wir einen Blick auf seine 10-Punkte-Agenda. Diese hat er im letzten Sommer als sein Programm bis zur Bundestagswahl vorgestellt.
1. Die Energiewende als Kernaufgabe
Minister Altmaier stellte die Energiewende auf Platz eins seiner Aufgabenliste – und fuhr sie seither voll gegen die Wand. Mit seiner Ankündigung einer Ausbaubremse für erneuerbare Energien sowie nachträglichen Vergütungskürzungen hat er erhebliche Unsicherheit in die Erneuerbaren-Branche gebracht. Selbst das Bundeswirtschaftsministerium bescheinigte, dass Altmaiers Plan den weiteren Ökostromausbau aushebeln würde. Warum tat er das? Weil der dezentrale Ausbau der Erneuerbaren der Treiber der Energiewende ist. Der CDU-Mann hat aber Angst vor zu großen Veränderungen und tritt auf die Bremse: Die Bundesländer werden ausgebremst, die Großunternehmen erhalten weiter ihre fetten Privilegien, Gespräche mit der Opposition lässt er scheitern und die VerbraucherInnen schauen in die Röhre. Immerhin hat der ehemalige EU-Bürokrat das Umweltministerium umstrukturiert. Türschilder auswechseln – das ist Altmaiers Energiewende.
2. Klimaschutz
Unter Peter Altmaier sind die Emissionen in Deutschland gestiegen, denn die „Kohlezombies“ von RWE & Co. kommen zurück. Zugleich fehlen viele Millionen für bereits zugesagte Klimaschutzprojekte im Haushalt. Denn der Energie- und Klimafonds ist leer, weil CO2-Zertifikate heute billiger sind als eine Tasse Kaffee im Regierungsviertel. Altmaier wollte eine abgestimmte Position der Bundesregierung zur Rettung des europäischen Emissionshandels erreichen. Bis heute aber lässt er sich von Philipp Rösler wie ein Bär durch die Manege führen. So versetzten die schwarz-gelben Abgeordneten im Europaparlament der Mini-Reform von Klimakommissarin Hedegaard den Dolchstoß.
Auch bei der Anhebung des europäischen Klimaziels auf minus 30 Prozent ist nichts geschehen. Dabei hatte sich Altmaier auch das im letzten Jahr auf die Fahnen geschrieben. Ebenso wenig wurden neue Finanzierungsinstrumente für den Klimaschutz entwickelt. In Wirklichkeit bestimmen die Bremser um Wirtschaftsminister Rösler die deutsche Klimapolitik und nicht der Umweltminister.
3. Atommüll
Wenigstens ein Endlagersuchgesetz hat Peter Altmaier hinbekommen. Oder? Selbst hier war er mehr Getriebener als Antreiber. Dank der Initiative des grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann konnten die Beratungen auf den Weg gebracht werden. Und erst die Bereitschaft der rot-grünen Länderregierungen von Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg, die Einlagerung der Castoren im eigenen Land zu prüfen, machte eine parteiübergreifende Einigung bei diesem wichtigen Gesetz möglich. Außerdem haben Grüne eine umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit durchgesetzt. Damit könnte ein 30-jähriger Konflikt endlich gelöst werden.
Das sogenannte „Lex Asse“-Gesetz ist gut, doch dessen Kern ist aus dem Bundestag selbst gekommen. Dieser konsensfähige Gesetzestext kann auch als Modellfall für die weit umfassendere Endlagersuche taugen. Mit der 14. Novelle des Atomgesetzes hat Altmaier zudem noch einen Entwurf für die Umsetzung des neuen EU-Rechts vorgelegt. Doch wie so Vieles schaffte er auch das nicht ohne groben Patzer. Denn seinen öffentlichen Bekenntnissen zum Trotz wurde im Gesetzentwurf der Export von deutschem Atommüll nicht ausdrücklich untersagt. Erst in den Verhandlungen zum Endlagersuchgesetz konnte Altmaier durch grünen Druck abgerungen werden, diese Lücke zu schließen. Entschieden wird darüber aber erst in der nächsten Wahlperiode. Vertagungen stehen bei Peter Altmaier oft auf der Agenda!
4. Naturschutz
Altmaiers Entwurf einer bundesweiten „Kompensationsverordnung“ zeigt: ihm liegt nichts am Naturschutz. Das Naturschutzniveau würde bundesweit massiv sinken. Und statt Vermeidung und Kompensation will er einen Ablasshandel für Naturzerstörung. Zudem spielt er gemeinsam mit Rösler die Energiewende gegen den Naturschutz aus.
Seine Verordnung zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen lässt hingegen weiter auf sich warten. Mit welchem Elan dieser Eckpunkt vorangetrieben wird, verdeutlicht ein Blick auf die Internetseite des BMU: Demnach Ist „ mit der Verabschiedung nicht vor Ende 2012 zu rechnen“. Selbst ein Showman vergisst wohl mal, die eigene Internetseite zu aktualisieren!
5. Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz
Der angekündigte Entwurf eines Gesetzes zur Wertstoffsammlung ist bislang nicht in Sicht. Was bisher kam? Altmaiers Kennzeichnungsverordnung für Einweg- und Mehrwegflaschen war ein Papiertiger: Die Kennzeichnung auf der Flasche selber tauchte gar nicht mehr auf. Kein Wunder, dass der Bundesrat diese Verordnung stoppte, da sie sich als reine Papierverschwendung erwies. Statt Kreislaufwirtschaft zu fördern, dreht sich Altmaier um sich selbst.
6. Elektromagnetische Felder
Wenn ankündigt wird, den Schutz vor elektromagnetischen Feldern zu verbessern, erwartet man schon etwas. Altmaier legte dem Bundestag zwar einen Entwurf für die Novellierung der 26. Bundes-Immissionsschutzverordnung vor. Doch die Chance wird vergeben, endlich vorsorgeorientierte Grenzwerte in Deutschland einzuführen. Er setzt halbherzig längst von wissenschaftlichen Erkenntnissen überholte EU-Empfehlungen von 1999 um. Für die niederfrequente elektromagnetische Strahlung wird immerhin ein Minimierungsgebot eingeführt, für die hochfrequente Strahlung aber nicht. Wirklich erwähnenswert ist, dass im niederfrequenten Bereich von 25 bis 50 Hertz die Grenzwerte mal eben auf das Doppelte erhöht werden. Damit ist klar, dass nicht der Schutz der Bürgerinnen und Bürger gemeint war. Aber wäre Peter Altmaier sonst auf runde zehn Punkte gekommen?
7. Fracking
Es gibt sowohl ein Gutachten als auch einen Gesetzentwurf. Doch die gesellschaftliche Diskussion spiegelt sich darin nicht wider. Selbst unionsgeführten Bundesländern und Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion geht der Gesetzentwurf nicht weit genug, da er das Hauptproblem – Fracking mit giftigen Substanzen – nicht angeht. Faktisch würde er Fracking auf fast dem gesamten Bundesgebiet erlauben. Zum Glück ist er typischer Teil der Altmaier-Show: Vertagung.
8. Bürgerbeteiligung
Nirgends sonst ist Umweltminister Altmaier so in seiner Bestform: Ankündigen und Wegducken. Die bestehende Abteilung „Gesellschaftspolitische Grundsatzfragen“ im Ministerium bekam erst einmal das Wort „Bürgerbeteiligung“ angehängt. Beim Netzausbau und im Umweltrechtsbehelfsgesetz wurde das Klagerecht von BürgerInnen sogar teilweise eingeschränkt! Die groß angekündigte „Bürgerdividende“ wird nun statt von Altmaier im rot-grünen Schleswig-Holstein erprobt. Die Europäische Union verlangte von Deutschland noch einmal explizit Nachbesserungen. Heute haben Umweltverbände und Einzelpersonen in Umweltfragen nämlich keinen europarechtskonformen Zugang zu Gerichten.
9. Internationale Umweltpolitik
Altmaier glänzte auch international als Ankündigungsminister. So kündigte er eine Verstärkung der Aktivitäten im Rahmen der „Coalition of the Committed“ an. Dies kommt verbal der grünen Forderung nach Vorreiterallianzen sehr nahe. Allerdings folgte den Ankündigungen nichts. Die Konferenz zur Vermeidung von Müll in den Weltmeeren blieb ebenso folgenlos wie sein „Energiewende-Klub“ zahnlos. Letzterer brachte abgesehen von einer Plauderrunde in Abu Dhabi mit Fototermin bislang nichts fertig. Ein nächstes unverbindliches Treffen ist aber geplant. Sicher auch wieder mit Fototermin…
10. Perspektive 2030
Altmaier kündigte an, ein „umfassendes umweltpolitisches Zielsystem auf den Weg zu bringen“. Doch dem folgte: nichts. So gibt es keine Impulse aus Deutschland bezüglich der 2030-Klimaziele der EU. Auch im Prozess der Erstellung globaler Umweltziele ist Deutschland inhaltlich kein Treiber. Eine Perspektive 2030 gibt es für ihn nicht..