Stromnetze bürgernah und umweltverträglich

Deutschland braucht neue Stromtrassen, um möglichst schnell auf erneuerbare Energien umsteigen zu können. Doch statt solide zu arbeiten zeigt Schwarz-Gelb auch hier blinden Aktionismus. Bundeswirtschaftsminister Rösler will gar die Natur- und Umweltschutzvorgaben schleifen, um den Bau neuer Übertragungsleitungen für Strom zu beschleunigen – eine Scheindebatte, mit der er vom eigenen Versagen ablenken will.

Die Bilanz der Bundesregierung beim Netzausbau ist miserabel. 2009 hat der Bundestag das Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) mit 24 Projekten mit 1.800 km Neubautrassen beschlossen. Nur 2 Projekte sind fertig, gerade einmal 100 km neu in Betrieb. Zuständig für das Desaster ist Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler. Doch der hat außer einiger verbaler Attacken gegen Bürgerinitiativen und dem Ruf nach einer Lockerung des Naturschutzes nichts zu bieten. Damit steht er wieder einmal allein da.

Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der grünen Bundestagsfraktion hervorgeht, teilt die Bundesregierung Rsölers Auffassung nicht. Auf die Frage, was Herr Rösler denn konkret am Naturschutz ändern wolle, hat das Bundeswirtschaftsministerium keine Antworten parat und schreibt uns stattdessen, dass Netzausbau und Naturschutz hervorragend miteinander zu vereinbaren sein. Röslers Credo, der Naturschutz sei Schuld, ist nichts anderes als Stammtischparole, mit der er vom eigenen Versagen ablenken will. Nicht einmal die Übertragungsnetzbetreiber folgen Röslers fadenscheinigen Argumenten. In einer Europäischen Netzerklärung haben 29 Organisationen, darunter die größten europäischen Übertragungsnetzbetreiber und wichtigsten Umweltschutzverbände, gemeinsam erklärt, dass anspruchsvoller Umweltschutz und beschleunigter Netzausbau nicht im Widerspruch stehen.

Entscheidend beim Netzausbau ist es, die Planungsverfahren auf den Prüfstand zu stellen und effizienter zu ordnen. Die Grundlage dazu wurde im letzten Jahr mit dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) gelegt. Ein Kernpunkt: Die Übertragungsnetzbetreiber haben jährlich einen Netzentwicklungsplan (NEP) zu erstellen, in dem der künftige Bedarf an neuen Stromtrassen festgelegt wird. Eine Idee der Bundesregierung war das nicht, die EU hatte das ihren Mitgliedsstaaten schon vor Jahren auferlegt.

Jetzt ist der erste NEP auf den Weg gebracht. In drei verschiedenen Szenarien wurde der Neubaubedarf ermittelt. Je nach Schnelligkeit des Ökostrom-Ausbaus werden bis 2022 zwischen 3.500 und 4.100 km neuer Höchstspannungsleitungen notwendig. Dazu kommen etwa 2.800 km Neubau in bereits bestehenden Leitungstrassen. Ein Menge Holz, so scheint es.

Doch tatsächlich ist die Aufgabe so gewaltig nicht. Es gilt, den Modernisierungsstau bei den Netzen aufzulösen. Zwischen 1995 und 2003 sank die jährliche Investition in die Übertragungsnetze von gut 3,5 auf unter 2 Milliarden Euro. In die deutschen Stromnetze wurde nach der Liberalisierung des Strommarktes 1998 also viele Jahre lang zu wenig investiert.

Der erste NEP ist dazu ein Schritt in die richtige Richtung. Er muss als Anfang eines dauerhaften Prozesses verstanden werden, der regelmäßig überprüft und optimiert werden muss. Grünes Ziel ist es, so viele Stromtrassen wie nötig zu bauen. Wir wollen deshalb eine Priorisierung der Neubauvorhaben. Nur unstreitige Projekte sollten vom NEP in den Bundesbedarfsplan übernommen und vom Bundestag beschlossen werden. Einen „Wünsch-dir-was-Katalog“, ähnlich dem Bundesverkehrswegeplan, darf es beim Netzausbau nicht geben.

Für die weitere Netzentwicklungsplanung fordern wir:

  • Die Beteiligungsverfahren müssen verbessert werden. Eine 6-Wochen-Frist für die Abgabe von Stellungnahmen ist zu kurz.
  • Der Ausbaubedarf muss kritisch überprüft werden. Dazu müssen z. B. die Lastflussdaten öffentlich zugänglich sein.
  • Alternativen zum Neubau müssen geprüft und genutzt werden, etwa Hochtemperaturleiterseile, Senkung Energieverbrauch, Einsatz von Speichern.
  • Die Grundlagen für die Netzplanung („Szenariorahmen“) müssen überarbeitet werden. So liegt z. B. der Anteil von Kohlestrom bislang viel zu hoch.

Die Bundestagsfraktion sieht erheblichen Nachbesserungsbedarf am NEP und hat diesen in einer ersten ausführlichen Bewertung zusammengefasst.

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