Erneut hat Anfang August die NRW-Landesregierung mehrere CDs mit Steuerdaten angekauft und wird dadurch Tausende weitere Deutsche als Steuerhinterzieher enttarnen. Das Bundesfinanzministerium hat das als „Steuergerechtigkeit nach dem Zufallsprinzip“ kritisiert und gesagt, „was NRW macht, ist nicht in Ordnung“. Aber was ist die Alternative? Etwa ein Steuerabkommen mit der Schweiz, das die meisten Steuerhinterzieher ungeschoren davonkommen lässt, weil es von Schlupflöchern durchsetzt ist und die meisten Vermögen gar nicht erfasst? Und das die doch erfassten Schwarzgelder nachträglich legalisiert und viel geringer versteuert als es den Steuergesetzen nach geboten wäre? Das kann nicht der Weg zu mehr Steuergerechtigkeit sein.
Die Strategie, durch den Erwerb der Daten Unsicherheit bei Steuerbetrügern zu erzeugen, ist daher genau die richtige. Nur so kann derzeit wirksam Druck erzeugt werden auf all diejenigen, die das vermeintliche „Kavaliersdelikt“ Steuerhinterziehung begehen. Diese verharmlosende Zuordnung ist völlig unangemessen: Dutzende Milliarden Euro gehen dem deutschen Staat jährlich durch Steuerhinterziehung verloren – Gelder, die dann nicht zur Verfügung stehen für eine bessere Bildung, mehr Klimaschutz oder eine intaktere Infrastruktur. Ausgleichen müssen dieses Defizit dann jene, die gar keine Möglichkeit der Steuerumgehung haben, nämlich durchschnittliche ArbeitnehmerInnen, deren Steuern sofort vom Lohn abgezogen werden.
Löchriger Käse
Solange die Schweiz ihr Bankgeheimnis nicht aufgibt, muss daher der Ermittlungsdruck hochgehalten werden. Eine Lösung für das Problem der Steuerflucht in die Schweiz wäre aber auch das mit ihr angestrebte Steuerabkommen Deutschlands nicht – im Gegenteil. Denn das unterzeichnete, aber von Deutschland noch nicht ratifizierte Abkommen würde riesige Schlupflöcher offenlassen, durch die der Großteil der Steuerhinterzieher weiterhin Steuerzahlungen umgehen könnte. Genau die Fälle, die nun auf der CD der Credit Suisse dokumentiert sind, nämlich Lebensversicherungsmäntel für Investmentfonds, gehören zu denen, die vom Abkommen nicht berührt wären. Das zeigt: Das Abkommen ist genauso löchrig wie der Käse des Vertragspartners.
Amnestie für kriminelle Steuerhinterzieher?
Gleichzeitig ist der Preis, der für das Abkommen bezahlt werden müsste, unverhältnismäßig hoch: Kriminelle Steuerhinterzieher und Geldwäscher erhalten eine Amnestie und bleiben auch in Zukunft anonym. Wenn sie überhaupt zukünftig Kapitalertragsteuern abführen, dann tut dies ihre Bank ohne Nennung des Steuerpflichtigen. Vor allem aber torpediert das bilaterale Abkommen eine weitaus erfolgversprechendere Strategie, nämlich die Verhandlungen der EU mit der Schweiz. Lange Zeit haben die EU-Staaten gemeinsam Druck gegenüber der Schweiz aufgebaut, ihr Bankgeheimnis aufzuweichen – mit bereits vorzeigbaren Erfolgen. Es liegt bereits die ausverhandelte Revision einer Richtlinie vor, die den Informationsaustausch mit der Schweiz deutlich verbessern und viele Schlupflöcher schließen würde.
Steuerabkommen ablehnen
Doch nun hat die Schweiz mit dem bilateralen Abkommen das beste Argument in der Hand, nicht weiter mit der EU zu verhandeln. Somit verzichten wir dauerhaft auf einen wirksamen und nicht-anonymen Informationsaustausch, auf das Schließen von Steuerschlupflöchern und somit auf mehr Steuergerechtigkeit. Denn wenn das Abkommen einmal in Kraft ist, ergeben weitere Verhandlungen der Schweiz mit der EU keinen Zweck. Deshalb ist es im Sinne der Steuergerechtigkeit, das Steuerabkommen mit der Schweiz abzulehnen – es ist eine Verschlechterung gegenüber dem Status quo, weil der Druck auf die Schweiz weggenommen werden würde. Stattdessen braucht es eine Fortsetzung der einheitlichen EU-Strategie gegenüber der Schweiz.