Die Bio-Bäckerei „Märkisches Landbrot“ achtet nicht nur darauf, was in die Brote kommt, sondern hat auch ein Umweltmanagement und eine selbst entwickelte Ökobilanz, mit der jährlich Mängel im eigenen Betrieb aufgedeckt und dann verbessert werden können. Eine Reportage von Lisa Stüve.
Inmitten des Neuköllner Gewerbegebietes, zwischen Autobahnzubringer und dem Werk des Zigaretten Herstellers Philipp Morris, befindet sich die Brotbäckerei Märkisches Landbrot. Hier findet man statt tristem Grau ein mit Wein bewachsenes Gebäude mit dem Dach voller Solarpanels – und im Hof plätschert ein Brunnen.
Ein Blick ins Innere der Geschäftsstelle lässt eine Mischung aus Öko und Anthroposophie erahnen. Die Wände sind in einem Ocker-Pastellton gehalten, neben einem Traumfänger hängen hier auch viele Urkunden über die ökologischen Errungenschaften des Unternehmens und die Fotos einiger Mitarbeiter – aufgenommen im Kornfeld. Im Besprechungsraum gibt es Brunnenwasser. „Das hat eine belebende Wirkung“, sagt Christoph Deinert, einer der Geschäftsführer von Märkisches Landbrot. Mehr werde er aber später beim Rundgang erklären. Wichtiger sei jetzt erst mal das Umweltmanagement und die „berüchtigte“, von ihm entwickelte Ökobilanz. Mit der jährlich erstellten Bilanz, erklärt Deinert, können Mängel im eigenen Betrieb aufgedeckt und dann verbessert werden.
In der Backstube von Märkisches Landbrot werden täglich mehrere tausend Brote gebacken und ausgeliefert. Die Backstube ist so aufgebaut, dass möglichst wenig Energie verschwendet wird. Da gibt es den pelletbefeuerten Holzbackofen und fünf weitere Öfen, die mittels eines Thermoölkessels beheizt werden. Vom normalen Holzofen- und Vierkornbrot über Hokkaido- und Essener Brote bis hin zu Röstbroten – sie alle werden energiesparend und ohne Zusatzstoffe produziert. Nach dem Motto ganz oder gar nicht, wird bei allen Stoffen, die ins Brot gelangen, Rücksicht auf die Herkunft genommen.
Beim Rundgang über das Firmengelände zeigt Deinert auch den betriebseigenen Brunnen. Als vor einigen Jahren bekannt wurde, dass im Wasser viele Medikamentenrückstände sind, beschloss die Geschäftsführung auf Anraten des betriebsinternen Umweltausschusses, ihr eigenes Wasser zu verwenden. Denn ein Brot, so Deinert, bestehe zu 40 Prozent aus Wasser. Jetzt wird nur noch reines Brunnenwasser zum Backen des Märkischen Landbrotes verwendet. Alles also konsequent ökologisch. Dieser Grundsatz steckt in dem Betrieb und wird von den beiden Geschäftsführern Joachim Weckmann und Christoph Deinert mit Herz und Kopf gelebt und umgesetzt.
Gegen den Mainstream
Gegründet wurde das Unternehmen 1930, Anfang der achtziger Jahre übernahm dann Joachim Weckmann Märkisches Landbrot. Der Kaufmann veränderte den Betrieb und begann ihn ökologisch auszurichten. Diese Entscheidung traf er damals noch gegen den Mainstream, aber aus Überzeugung. Was klein angefangen hat und zu Beginn von vielen noch belächelt wurde, ist immer weiter ausgebaut und verbessert worden.
Während Joachim Weckmann der Mann für die Brotqualität, das strategische Geschäft und die Visionen ist, kommt mit Christoph Deinert ab 1992 ein Praktiker ins Haus. Deinert, anfänglich mit allen technischen und baulichen Aufgaben betreut, sitzt seit 2008 in der Geschäftsleitung. „Mit meinem Einstieg ist natürlich technisches Know-how gekommen und man konnte viele Sachen besser realisieren“, sagt der gelernte Versorgungs- und Energietechniker. Neben der Entwicklung von Maschinen, wie der Wasserbelebungsanlage zur Energetisierung des Wassers, und der Mitenwicklung des mit Holzpellets betriebenen Backofens, übernahm Christoph Deinert auch die Ökobilanzierung des Unternehmens. Als erster Betrieb weltweit wurde hier ein ökologischer Fußabdruck für alle Produkte errechnet. Damit kann nachvollzogen werden, wie viel CO2 bei der Herstellung der Ware über die gesamte Wertschöpfungskette freigesetzt wird.
Den Weg der Nachhaltigkeit beschreiten
Die ökologisch ausgerichtete, technische Umrüstung des Betriebes beginnt so richtig mit dem Umzug der Firma von der Dieselstraße nach Neukölln. „Wir haben damals alles gemacht, was uns eingefallen ist“, erinnert sich Deinert. Die Arbeit rentiert sich. Bereits 1994 konnten der Energie- und Wasserverbrauch durch die Installation einer Photovoltaik-Anlage, den Vollwärmeschutz aller Gebäude und Dächer und die Regenwassernutzung wesentlich reduziert werden. Die Maßnahmen führten damals zu einer Reduzierung der CO2-Emissionen um 58 Prozent. Technische Umrüstung bringt rein ökonomisch betrachtet für ein Unternehmen zunächst einmal Mehrkosten und sonst nichts, das ist die allgemeine Auffassung. Das aber, so Deinert, sei der falsche Ansatz. „Wir haben immer versucht, den Weg der Nachhaltigkeit zu beschreiten und stückchenweise besser zu werden.“ Der ökonomische Ansatz spielt für Deinert und Weckmann nur soweit eine Rolle, als dass durch finanzielle Mittel natürlich eine schnellere Verbesserung erfolgen kann.
Das Streben nach Innovationen ist ein wichtiges Wort bei der Beschreibung von Märkisches Landbrot. Und die Zusammensetzung Deinert/Weckmann ist dafür wahrscheinlich eine gute Mischung. „Ich bin Planer und Entwickler, und es ist meine Leidenschaft, etwas Nachhaltiges zu schaffen“, sagt Christoph Deinert. Das Unternehmen sieht sich selbst als Leuchtturmprojekt. „Wir versuchen, durch gutes Beispiel voranzugehen.“Vom aktuellen Öko-Mainstream lassen sich Deinert und Weckmann aber nicht mitreißen. Ihnen geht es darum, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Von der Politik erwartet Deinert, dass auch hier mit gutem Beispiel vorangegangen und die Nachfrage nachhaltiger Produkte gefördert wird. Deinerts Vorschlag: Nur noch Bioessen in öffentlichen Kantinen anbieten und so die Nachfrage steigern. Fördermittel, wie etwa bei Solaranlagen, seien wichtig, meint der Geschäftsführer, oft jedoch leider zu kleinteilig. Ein Unternehmen werde nicht nur nachhaltig, indem es staatliche Unterstützung erhielte. Vielmehr würde eine angemessene Nachfrage auf dem Markt so eine Entscheidung beeinflussen. Auch wenn bei Märkisches Landbrot die idealistische Einstellung zu einer Veränderung geführt hat, so ganz ohne Fördermittel hätte auch dieses Unternehmen energietechnisch gesehen nicht so schnell eine Verbesserung erreicht. Für die 150 Quadratmeter große Solaranlage auf dem Dach gab es auch Subventionen.
Was früher oft belächelt wurde, wird jetzt von immer mehr Menschen gelebt
In den letzten Jahren wurde das Unternehmen mit mehreren Preisen ausgezeichnet und gehört seit Juni 2011 zu den Klimaschutzunternehmen der deutschen Wirtschaft. Auf die Auszeichnungen sind sie natürlich stolz hier, gerade historisch betrachtet. Was früher oft belächelt wurde, wird jetzt von immer mehr Menschen gelebt. „Durch eine breite gesellschaftliche Anerkennung kommt man auch mal raus aus der Spinner-Ecke“, sagt Deinert. „Da wird man nicht nur bei den Bios als Vorbild gesehen, sondern so ganz grundsätzlich.“
Bis 2020 will das Unternehmen emissionsfrei werden. Neben dem ökologischen Fußabdruck soll es bald auch einen Fußabdruck für Wasser geben. Derzeit werden außerdem drei neue Backöfen gebaut. Die würden zwar, gibt Deinert zu bedenken, vorerst mit Flüssiggas beheizt werden, da die komplette Umstellung des Betriebes auf Erdgas erst im kommenden Jahr erfolgen kann. Eine Verbesserung der Emissionswerte ist aber dann in Sicht. 20 Prozent können so noch mal gespart werden, freut sich Deinert.
Klar ist für die Geschäftsführer auch, dass keine Energie richtig positiv belegt ist. Da reiche es auch nicht aus, Ökostrom zu kaufen. Man müsse generell Strom sparen. Bei Märkisches Landbrot wird versucht, dem Stromproblem zunächst im Kleinen mit der Installation von LED-Leuchten zu begegnen. Einen langfristigen, globalen Vorschlag müsste es von der Politik geben, welche Energie eingesetzt werde, findet der Ingenieur. „Man muss sich überlegen, was ein geeigneter Mix für Deutschland sein könnte.“
Die Kunden scheinen das Engagement und die Qualität von Märkisches Landbrot zu schätzen. Die Produktion konnte in den letzten Jahren um 10 Prozent gesteigert werden. Deshalb wird auch aus- und umgebaut. Anstelle einer rechten Ecke hat der zukünftige Neubau neben der Geschäftsstelle jetzt eine Rundung bekommen. Der Praktiker Deinert freut sich: „Das hat mir Spaß gemacht, diese Ecke abzuschlagen.“ Das hätte jetzt auch Rudolf Steiner sagen können.