Europaparlament stimmt für Finanztransaktionssteuer

Umsetzung notfalls in „Koalition der Willigen“

Das starke Votum für die Einführung einer umfassenden Finanztransaktionssteuer im Wirtschaftsausschuss (gruene-europa.de berichtete) ist heute durch das gesamte Parlament bestätigt worden. Aktien und Anleihen sollen demnach mit 0,1 Prozent, Derivate mit 0,01 Prozent besteuert worden. Auch das Wohnsitzprinzip fand eine Mehrheit, so dass die Steuer auch für Geschäfte außerhalb der EU fällig würde. Auf Initiative der Grünen gelang zudem eine Verschärfung der Kommissionsvorlage, um Verlagerungsstrategien und Steuermissbrauch zu erschweren.

„Der heutige Tag ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer Finanztransaktionssteuer, für die ich seit mehr als zehn Jahren kämpfe“, freute sich der Grüne Sprecher für Wirtschafts- und Währungsfragen, Sven Giegold, im Anschluss an die Abstimmung.

Die Grünen begrüßen, dass der Parlamentsbericht die Einführung der Steuer über die so genannte „Verstärkte Zusammenarbeit“ ins Spiel bringt. Sollten sich beispielsweise die Briten im Rat der Mitgliedsstaaten weiter sperren, könnte die Steuer so durch eine „Koalition der Willigen“ eingeführt werden.

Jetzt sind die Mitgliedsstaaten am Zug, die in Steuerfragen die Entscheidungshoheit haben. „Die Bundesregierung muss endlich tätig werden – und die FDP sowie Teile der CDU ihre Blockadepolitik aufgeben“, so Giegold.

Hintergrund und Details

1. Grüne Kernpunkte der Richtlinie

Die Grünen haben eine Reihe von Änderungen durchgesetzt, die den guten Kommissionsvorschlag weiter stärken:

– Das Wohnsitz-Prinzip, wie es von der Kommission vorgeschlagen wurde, ist nicht streng genug, um Steuerhinterziehung effektiv zu verhindern. Daher haben die Grünen vorgeschlagen, es um Emissions- und Eigentumsprinzipien zu erweitern, wie es von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die die Finanztransaktionssteuer unterstützen, angeregt wird. Dafür gab es breite Unterstützung im Parlament.

– Bzgl. der Verwendung der Mittel haben die Grünen sichergestellt, dass der Abschlussbericht ein positives Signal für die Finanzierung von globalen, öffentlichen Gütern, wie z.B. der Entwicklungshilfe und den Kampf gegen Klimawandel, setzt. Darüber hinaus ist die Grüne Forderung, dass die Einnahmen in den EU Haushalt fließen sollen, bevor sie weitergeleitet werden, in einen neutraleren Bezug zum Eigenmittel-Vorschlag eingegangen.

– Die Kommission hat Devisentransaktionen mit Bezug auf juristische Argumente (aber ohne überzeugende Argumente) ausgenommen (was bedeuten würde, die Tobin-Steuer aus der FTS auszuschließen). Wir konnten die Abgeordneten auf Basis anderer Rechtsmeinungen dennoch davon überzeugen, die Tobin-Steuer mit aufzunehmen.

– Verstärkte Zusammenarbeit: Vor dem Hintergrund der Schwierigkeiten des Rats, dem Vorschlag als EU 27 anzunehmen, setzt der Bericht des Wirtschaftsausschusses ein positives Signal in Richtung einer verstärkten Zusammenarbeit.

– Hochfrequenzhandel: Der Versuch, stornierte Börsenorders in den Anwendungsbereich der Richtlinie einzubeziehen, wurde in den Kompromiss, der auch die Überarbeitungs-Klausel umfasst, aufgenommen. Die Grünen haben gefordert, dass eine Steuer erhoben wird, wenn im Durchschnitt die Zahl der stornierten Aufträge pro Börsentag 15 Mal so hoch ist, wie die Anzahl der ausgeführten Aufträge.

Der Hochfrequenzhandel ist natürlich jetzt schon abgedeckt, wenn Transaktionen ausgeführt werden, aber ein wichtiger Teil des Casino-Spiels besteht darin, eine sehr große Anzahl von Aufträgen zu platzieren um die Märkte zu testen und diese dann wieder zurückzuziehen.

2. Negative Punkte:

Pensionsfonds wurden vollkommen ausgenommen. In den Kompromissverhandlungen haben die Grünen vorgeschlagen, eine Übergangsfrist zu gewähren, innerhalb derer Pensionsfonds ihre Anlagestrategie in Hinblick auf langfristige Investitionen hätten anpassen können. Jedoch war das für EVP und ALDE nicht akzeptabel. Es ist wichtig hervorzuheben, dass laut einer OECD-Studie (1) Pensionsfonds mit konservativen Investment-Portfolios (was generell mit einer niedrigen Transaktionsfrequenz einhergeht) zwischen 2008-2010 am besten abgeschnitten haben. Eine umfassende FTS würde Pensionsfonds also dazu ermutigen, vernünftigere und erfolgreichere Anlagestrategien zu verfolgen.

Erfreulicherweise scheiterten aber Konservative und Liberale mit ihren Versuchen, alle Investmentfonds (Ucits) von der FTS auszunehmen.

Der Vorschlag der Kommission ist hier hinterlegt (2011) und die abgestimmten Änderungsanträge des Parlaments, die vom Rat aufgenommen werden sollen, gibt es hier.

(1) OECD Pension Markets in Focus

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