Bundesregierung schwächt die Lohnstruktur

Arbeitgeber in der Pflegebranche sollen nicht, wie bisher, die mindestens ortsüblichen Gehälter zahlen müssen. Das sieht zumindest der neue Paragraf 72 im Entwurf des Pflege-Neuausrichtungsgesetzes vor, den die Bundesregierung im Februar 2012 vorlegte. Dieses Vorhaben bestätigt die schwarz-gelbe Regierung auch in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der grünen Bundestagsabgeordneten Elisabeth Scharfenberg und Beate Müller-Gemmeke.

Seit 2008 gilt, dass Pflegeeinrichtungen nur dann einen Versorgungsvertrag erhalten, wenn sie ihren Beschäftigten mindestens die ortsübliche Vergütung bezahlen. Diese Koppelung soll nun aufgehoben werden. Künftig, so die Antwort der Bundesregierung, soll ein Versorgungsvertrag mit einer Pflegeeinrichtung auch dann abgeschlossen werden können, wenn die Einrichtung ihren Pflegekräften den Pflege-Mindestlohn zahlt. Dieser aber liegt oft weit unter tariflichen Regelungen vor Ort. In Westdeutschland erhalten examinierte Altenpflegekräfte tariflich zwischen 12,31 Euro und 16,73 Euro pro Stunde. Der Pflege-Mindestlohn beträgt hingegen nur 8,75 Euro. Die Bundesregierung will mit ihrem sogenannten Pflege-Neuausrichtungsgesetz also das Lohngefüge in der Pflegebranche aufweichen.

Entgegen unserer Auffassung, sieht die Regierung keinen Anlass für die Befürchtung, dass ihr Gesetz eine Absenkung des Lohnniveaus in der Pflege zur Folge haben könnte. Sie verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass bei Pflegesatzverhandlungen die Zahlung von Tariflöhnen berücksichtigt werden könne. Doch das geht völlig am Kern des Problems vorbei. Denn bei den problematischen Neuregelungen in Paragraf 72 geht es nicht um die Pflegesatzverhandlungen, sondern um die Zulassung als Pflegeeinrichtung.

Es ist ein völlig falsches Signal, in Zeiten eines sich abzeichnenden Mangels an qualifizierten Pflegekräften, für Beschäftigte nur noch den Mindestlohn als unterste Auffanglinie zu erhalten. Mit einer solchen gesetzlichen Regelung kann eine Lohnspirale nach unten in Gang gesetzt werden. Die Regelung verschafft Einrichtungen Anreize, ihre Beschäftigten schlechter zu bezahlen als andere. Sie können Leistungen billiger anbieten und haben damit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Einrichtungen, die ortsübliche Entgelte zahlen. Ein Mindestlohn soll die Beschäftigten schützen und nicht zum Wettlauf um die niedrigsten Löhne führen.

Auch in der Altenpflege gilt: Anerkennung und Wertschätzung haben eine starke finanzielle Dimension. Ohne eine angemessene Vergütung lässt sich auch das gesellschaftliche Berufsprestige in der Altenpflege nicht steigern. Das attestiert auch der Abschlussbericht zur Studie „Wirkungen des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes“. Umso unverständlich bleibt daher die unnötige und kontraproduktive Regelung im vorliegenden Gesetzentwurf.

Dieser Beitrag wurde unter Alle Nachrichten, Grüne im Bundestag abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.