Der grüne Bundesparteitag in Kiel beschloss ein Finanzkonzept, das neben Einsparungen und Subventionskürzungen auch Steuererhöhungen für Spitzenverdiener und Vermögende vorsieht. Welche Belastungen jetzt auf wen zukommen und warum die CDU die Beschlüsse kritisiert, erklärt die politische Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke im Kurzinterview.
gruene.de: Auf dem Parteitag am letzten Wochenende haben die Grünen Steuererhöhungen beschlossen. Die CDU wirft den Grünen vor, sie würden vor allem kleine und mittlere Unternehmen belasten. Kommt Grün den Mittelstand teuer zu stehen?
Steffi Lemke: Wenn uns die CDU angreift, scheinen wir ja einiges richtig gemacht zu haben. Vor allem haben wir den Menschen ehrlich gesagt, was auf sie zukommt unter den aktuellen Bedingungen. Und zu den Vorwürfen bezüglich Mittelstand: Ja, wir wollen den Spitzensteuersatz auf 49% anheben. Dabei haben wir eine Abflachung in der Steuersatzberechnung eingebaut. So greift unser Spitzensteuersatz von 49% erst bei einem höheren Einkommen und damit bei nur 3% der Bevölkerung mit besonders hohem Einkommen. Wer heute keinen Spitzensteuersatz zahlt, zahlt auch morgen keinen! Die Vermögensabgabe, die wir fordern, betrifft wiederum nur etwa 1% der Bevölkerung mit einem Privatvermögen von über 1 Million Euro.
Warum sollen Kapitaleinkünfte, Veräußerungsgewinne und Erbschaften weiterhin steuerlich so viel besser behandelt werden sollen, als der Lohn und die Arbeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? Das kann die CDU ja gerne mal den Menschen erklären!
gruene.de: Ein weiterer Vorwurf richtet sich gegen die geforderte Kürzung des Ehegattensplittings. Trifft das nicht in erster Linie Familien?
Steffi Lemke: Nein, das ist ja der Fehler – es trifft den Trauschein, sonst nichts! Das Ehegattensplitting nützt ja nicht per se den Kindern. Wir wollen aber vor allem Kinder und nicht die Institution Ehe fördern. Außerdem schafft das Ehegattensplitting Anreize für Frauen, keiner Beschäftigung nachzugehen. Wir Grüne hingegen wollen eine geschlechtergerechte Steuerpolitik. Das entspricht ja auch viel eher unserer Lebenswirklichkeit und nicht dem antiquierten Familienbild der Union.
gruene. de: Zum dritten kritisieren die Konservativen den grünen Vorschlag, in Zukunft Cannabis zu legalisieren und besteuern. Betreiben die Grünen in Zukunft Haushaltskonsolidierung auf Kosten der Gesundheit?
Steffi Lemke: Da packt die Union wieder die Moralkeule aus – ohne Sinn und Verstand. Gesundheitsschädigend sind ja vor allem auch Tabak und Alkohol. Und die werden legal verkauft und auch besteuert – die Einnahmen lagen 2010 zusammen bei über 15,5 Milliarden Euro! Wir wollen Cannabiskonsumenten entkriminalisieren und einen Schwarzmarkt in staatlich kontrollierbare Bahnen lenken. Und damit auch einen besseren Jugendschutz ermöglichen. Dazu gehört in letzter Konsequenz dann auch eine Besteuerung von Cannabis. Die wäre für den Staat übrigens deutlich lukrativer als die Überwachung und Repression von Konsumenten. Wir setzen auf Prävention anstatt Repression. Darüber muss man die Diskussion führen, statt sich wie die Union mit billigem Populismus aus der Verantwortung zu stehlen.