Die grüne Handschrift bei der Eurorettung

Ob es der dauerhafte Euro-Rettungsschirm, die Rekapitalisierung der europäischen Banken, der Schuldenschnitt für Griechenland ist oder die Notwendigkeit einer europäischen Wirtschaftsregierung: Inzwischen werden die Forderungen der grünen Bundestagsfraktion eine nach der anderen umgesetzt. Dies zeigt eindeutig, dass diese Maßnahmen richtig und notwendig sind, um die Krise im Euroraum zu bewältigen und den Euro dauerhaft zu stabilisieren.

Nur kommen diese Entscheidungen viel zu spät. Frau Merkel ist auch eineinhalb Jahre nach Beginn der Eurokrise zu zögerlich und erstaunlich strategielos. Die Kanzlerin hat große Ankündigungen gemacht, am Ende aber wenig durchgesetzt. Ihre „Politik der kleinen Schritte“ soll darüber nur hinwegtäuschen.

Zu den Fragen, wer die Kosten der Krise bezahlen soll, und wie diese Kosten gerecht verteilt werden können, schweigt die Kanzlerin. Banken, die die Krise mit verursacht haben, werden zu spät und nicht ausreichend in die Pflicht genommen, Steuerzahlerinnen und Steuerzahler werden extrem belastet.

Transparenz ist in dieser Situation entscheidend. Doch die Kanzlerin nimmt die Befürchtungen in der Bevölkerung nicht ernst. Sie erklärt zu wenig und handelt nicht nachvollziehbar. Auch die weitreichende Entscheidung über die sogenannte Hebelung des Euro-Rettungsschirmes wollte Angela Merkel hinter verschlossenen Türen entscheiden. Wir haben dafür gesorgt, dass über dieses Instrument öffentlich im Deutschen Bundestag debattiert wurde.

Das heißt im einzelnen:

Schuldenschnitt für Griechenland

Bereits im Mai 2010 hat die grüne Bundestagsfraktion Verhandlungen mit den Altgläubigern über eine Umschuldung der griechischen Staatsschulden gefordert. Eine Umschuldung ist notwendig, um den Gesamtschuldenstand Griechenlands zu reduzieren und dem Land somit überhaupt die Perspektive zu eröffnen, der Abwärtsspirale zu entkommen.

Die Bundeskanzlerin hat diese Lösung monatelang ignoriert. Erst im Juli 2011 machte sie sich – gemeinsam mit Präsident Sarkozy  – den Vorschlag des internationalen Bankenverbands, der einen kleinen Schuldenschnitt vorsieht, zu Eigen. Dieser Vorschlag hätte den Gesamtschuldenstand Griechenlands nur unzureichend gesenkt und die Anlagen der Banken langfristig auf Kosten der europäischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler abgesichert. Daher ging er uns nicht weit genug.

Erst im Oktober wurde erneut verhandelt und ein Schuldenschnitt für Griechenland von 50 Prozent entschieden. Diese Entscheidung ist zwar richtig, sie kommt aber zu spät. Mit der Verzögerung trägt die Kanzlerin die Verantwortung für zwei Jahre andauernde Verunsicherung sowohl bei den Bürgerinnen und Bürgern als auch an den Märkten. Darüber hinaus hat Merkel auch die Effektivität des Schuldenschnitts untergraben. Während im Sommer 2010 noch die komplette griechische Staatsschuld in den Händen privater Gläubiger ruhte, sind es heute nur noch 200 von insgesamt 360 Milliarden Euro. Somit kann auch eine Beteiligung des privaten Sektors bei einem Schuldenschnitt von 50 Prozent die griechische Staatsschuld nur zu knapp einem Drittel senken. Das reicht für Griechenland wahrscheinlich nicht aus um seine restlichen Schulden, zu denen auch die Kredite der öffentlichen Hand und der Europäischen Zentralbank gehören, zu bedienen. Das Risiko einer erneuten Umschuldung, bei der dann Kredite der öffentlichen Hand mit einbezogen würden, ist dadurch gestiegen.

Beteiligung der Banken an der Krise

Seit langem kritisiert die grüne Bundestagsfraktion, dass die Bundesregierung den Finanzsektor mit Samthandschuhen anfasst. Das Ausfallrisiko eines Kredits ist nun einmal die marktwirtschaftliche Legitimation eines Zinses. Warum sollten also Banken für Kredite bezahlt werden, wenn sie den Verlust bei einem Ausfall nicht tragen können?

Richtig ist, ein Ausfall von Staatsanleihen kann Banken in Bedrängnis bringen, da diese für ein solches Ereignis nicht gewappnet sind. Aus dem Grund haben wir frühzeitig die Errichtung eines europäischen Bankenrettungsfonds gefordert, der die Banken, die eine Umschuldung nicht aus eigener Tasche tragen können, rekapitalisiert und somit teilverstaatlicht. Wer sich verspekuliert darf nicht darauf vertrauen, dass der Staat seine wertlosen Anleihen zurückzahlt. Die sonst so marktgläubige Regierung hat diesen marktwirtschaftlichen Grundzusammenhang zu lange ignoriert.

Ähnlich sieht es mit der notwendigen Rekapitalisierung der Banken aus. Die jetzt beschlossene Rekapitalisierung der Banken auf neune Prozent der aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalquote geht leider am Kernproblem vorbei: Wertpapiere, die aufsichtsrechtlich ein Risikogewicht von null Prozent erhalten (wie Staatsanleihen), sind in der Quote überhaupt nicht enthalten. Sollte sich die Krise der Eurozone also ausweiten, steckten die Banken sofort wieder in Schwierigkeiten. Daher plädieren wir für eine Rekapitalisierung, die die Banken direkt in die Lage versetzt, die besseren Regelungen von Basel III einzuhalten. Dort ist auch endlich eine echte Schuldenbremse für Banken enthalten, die deren gesamtes Geschäft ins Verhältnis zum Eigenkapital setzt („leverage ratio“). Diese soll aber bis 2017 überprüft und erst dann eingeführt werden. Das könnte für die nächste Krise zu spät sein.

Einführung einer Finanztransaktionssteuer

Die Finanzmärkte haben in den letzten vier Jahren erhebliche Kosten verursacht. Daher ist es ein Gebot der Gerechtigkeit, die Finanzmärkte über eine Finanztransaktionssteuer teilsweise an diesen Kosten zu beteiligen. Die grüne Bundestagsfraktion fordert die Einführung dieser Steuer schon lange. Da sie sehr niedrig angesetzt wäre (0,1%), würde sie den normalen Anleger kaum betreffen. Sie zielt insbesondere auf den computergesteuerten Hochfrequenzhandel ab, bei dem in Sekundenbruchteilen Wertpapiere gekauft und wieder verkauft werden. Eine Besteuerung dieser computergesteuerten Programme ist aus grüner Sicht absolut notwendig, da diese bei fehlerhafter Programmierung große Kursbewegungen und Verluste auslösen können.

Die Bundesregierung hat sich jahrelang vehement gegen eine solche Steuer gewehrt. Auf einmal ist Angela Merkel anscheinend doch dafür. Trotzdem argumentiert sie gerne, Banken würden bei der Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Land A einfach in Land B, dass keine solche Steuer hat, flüchten. Damit entlarvt sie sich doch wieder als Sprecherin der Finanzlobby. Der aktuelle Gesetzesvorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass eine Bank die Steuer in ihrem Heimatland errichten muss, unabhängig davon, wo der Handel stattfindet. Ein Ausweichen wäre also nur durch eine Verlegung des Unternehmenssitzes möglich, dies wäre aber wesentlich teurer als die Zahlung der Steuer. Außerdem gibt es bereits Finanzumsatzsteuern in London und Singapur, ohne dass die dortigen Finanzplätze ausgetrocknet sind.

Erweiterung des Euro-Rettungsschirms / Zulässigkeit von Sekundärmarktankäufen

Uns war von vornherein klar, dass der derzeitige Euro-Rettungsschirm (EFSF) Nachbesserungen benötigt und aufgestockt werden muss. Die grüne Bundestagsfraktion hat dementsprechend frühzeitig gefordert, dass die EFSF den Regierungen der Euro-Staaten ihre Anleihen zu niedrigen Kursen direkt abkaufen darf. Damit können die Schulden der betroffenen Euro-Länder effektiv reduziert und die Europäische Zentralbank (EZB) entlastet werden. Die Bundesregierung hat dies – unter Druck der FDP – monatelang blockiert. Zugelassen wurde dieses Instrument für die EFSF folglich erst im Juli 201. Bis dahin stand die EZB unter Druck diese Sekundärmarktankäufe übernehmen zu müssen.

Der Euro-Rettungsschirm wurde bereits im Mai 2010 gegründet – aber noch immer, anderthalb Jahre später, wird über seine Ausgestaltung gestritten. Das ist in der Finanzwelt eine halbe Ewigkeit und hat die Probleme unverantwortlich verschleppt. Die Bundeskanzlerin hat nach dem Motto „zu wenig zu spät“ viel zu lange gezögert und es versäumt, den Rettungsschirm von Anfang an wirksam und schlagkräftig auszugestalten.

Einrichtung eines dauerhaften Euro-Rettungsschirms (ESM)

Wir waren die ersten, die sich klar für die Schaffung eines Europäischen Währungsfonds ausgesprochen haben, da er den Euro stabilisieren, klare Regeln für Finanz-Notfälle schaffen und spekulative Wetten gegen Euro-Staaten unterbinden würde. Da der jetzige Euro-Rettungsschirm als zeitlich begrenzte Lösung nicht ausreicht, fordert die grüne Bundestagsfraktion seit März 2010 die Einrichtung des dauerhaften Euro-Rettungsschirms.

Die Bundesregierung hat sich öffentlich monatelang als Gegner eines permanenten Rettungsschirms inszeniert. Kurz bevor Angela Merkel dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) in Brüssel zustimmte, verkündete sie im Bundestag, mit ihr würde es eine Verlängerung des derzeitigen Rettungsschirms (EFSF) nicht geben. Wie so oft in der Eurokrise knickte sie ein. Im Dezember 2010 einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf den ESM, er soll ab Mitte 2013 im Krisenfall helfen.

Gegenüber dem jetzigen Rettungsschirm bringt der ESM eine wesentliche Neuerung: Er bietet die Grundlage für eine geordnete Insolvenz eines Staates, denn Kredite vergibt der ESM nur wenn der notleidende Euro-Staat seine Schulden auch tatsächlich tragen kann. Ist ein Land dazu nicht in der Lage, muss es den Schuldenstand zuerst auf ein tragfähiges Niveau reduzieren – und zwar durch einen teilweisen Verzicht der privaten Gläubiger. Der ESM schafft also verbindliche Regeln, die chaotische Einzelrettungen zum Höchstpreis verhindern. Perspektivisch muss der ESM aber in einen echten Europäischen Währungsfonds überführt werden.

Wir fordern nun, dass der ESM schnellstmöglich in Kraft tritt. Möglich wäre das, beschlossen ist er und der Bundestag könnte zügig darüber abstimmen. Doch bis heute hat die Bundesregierung weder dem Bundestag die Gesetzesvorlagen vorgelegt noch einen verbindlichen Zeitplan genannt. Frau Merkel blockiert wieder einmal ohne ersichtlichen Grund.

Die Notwendigkeit einer Europäischen Wirtschaftsregierung

Für uns war immer schon klar: Wir brauchen in der EU eine verbindliche Koordinierung der nationalen Haushalts-, Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik. Das Verhalten eines EU-Mitglieds hat – aufgrund der starken wirtschaftlichen Verflechtung zwischen den Staaten – nun mal Auswirkungen auf die anderen. Ohne eine verbindliche gemeinsame Verfahren Abstimmung wird es immer wieder zu krisenhaften Entwicklungen kommen.

Angela Merkel hingegen hat dies blockiert. Das Motto ihrer kurzsichtigen Politik hieß schlicht, Brüssel solle sich nicht einmischen. Dabei hat sie ignoriert, dass sich wegen der fehlenden Abstimmung bedrohliche wirtschaftliche Ungleichgewichte zwischen den Staaten gebildet haben.

Inzwischen hat die Kanzlerin eine 180-Grad-Wende vollzogen. Sie versucht den anderen EU-Staaten ihre Politik überzustülpen. Das wird nicht funktionieren. Richtig ist, die Länder mit einem großen Defizit sind in der Pflicht, doch auch Deutschland als Überschussland muss seinen Beitrag leisten. Zu einer EU-Wirtschaftsregierung gehört für uns auch das Ende des Steuerdumpings und die Einführung von sozialen Mindeststandards in allen EU-Staaten gehören. Hierzu schweigt die Bundesregierung.

Die Wirtschaftsregierung, die Merkel und Sarkozy wollen, ist außerdem undemokratisch und bürgerfern. Hinter verschlossenen Türen und an den Parlamenten vorbei schmieden sie ihre Pläne. Wir sagen: Die EU-Kommission muss im Sinne aller EU-Staaten den Prozess steuern, das EU-Parlament und die nationalen Parlamente müssen mitentscheiden und die Bürgerinnen und Bürgern aufgeklärt werden.

Änderungen der Europäischen Verträge

Die Tatsache, dass Änderungen an den vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union notwendig sind hat die grüne Bundestagsfraktion schon früh erkannt. Für eine dauerhafte Lösung der Krise muss sich die EU weiterentwickeln. Rechtlich unverbindliche Verabredungen wie der Merkelsche „Pakt für den Euro“ reichen nicht aus. Stattdessen brauchen ein gemeinsamer Binnenmarkt und eine gemeinsame Währung eine gemeinsame Wirtschafts- sowie eine abgestimmte Sozialpolitik.

Mittlerweile hat das auch die Bundesregierung erkannt. Allerdings reichen ihr Verabredungen unter den EU-Mitgliedstaaten zur Vertiefung der finanzpolitischen Disziplin und der wirtschaftlichen Konvergenz innerhalb des Euro-Währungsgebietes. Die aktive Einbindung der Bürgerinnen und Bürger, grenzüberschreitend garantierte soziale Rechte und die politische Union möchte Angela Merkel vertagen.

Wir sagen: Die zukünftigen Vertragsänderungen dürfen nicht heimlich in den Hinterzimmern der Staats- und Regierungschefs ausgehandelt werden, sondern müssen in einem demokratischen, transparenten und bürgerfreundlichen Verfahren erarbeitet werden. Hierzu fordern wir die Einsetzung eines Europäischen Konvents, der sich mit den Themen Wirtschaft, Haushalte, Finanzen, Soziales und Demokratie beschäftigt und Vorschläge erarbeitet. Die neu entstehenden Strukturen müssen demokratisch legitimiert und kontrolliert werden.

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