EU handelt schnell, aber nicht gut
Welchen Notfallplan hat die Europäische Gemeinschaft für verstrahlte Lebensmittel? Keinen guten, kann mittlerweile festgestellt werden.
Nach Tschernobyl waren mit der Verordnung (Euratom) Nr. 3954/1987 Höchstwerte für Lebensmittel und ein Verfahrensvorschlag in radiologischen Notstandssituationen festlegt worden. Danach gilt für Nahrungsmittel ein Höchstwert von 1250 Bq/kg Nahrungsmittel (1000 Bq/kg für Milch und 400 Bq/kg für Säuglingsnahrung). Bei nuklearen Unfällen ist die Verordnung für drei Monate in Kraft zu setzen und verstärkt zu kontrollieren.
Allerdings war 1987 auch festegelegt worden, dass ein Verfahren ausgearbeitet werden soll, das jeden nuklearen Unfall einzeln betrachtet und eine rasche Anpassung an die Umstände ermöglicht. Das ist nicht erfolgt. Dieses Versäumnis führt nun zu zahlreichen Wiedersprüchen, weil mit der Verordnung aus 1987 die Umstände des japanischen Atomunfalls in Fukushima nicht ausreichend erfasst werden.
Kritik an Höchstwerten
Die Durchführungsverordnung der Europäischen Kommission für die Einfuhr japanischer Lebensmittel vom 25. März 2011 wird von der Verbraucherorganisation foodwatch und dem Umweltinstitut München massiv kritisiert. Denn eine auf Fukushima zutreffende Bewertung der Umstände hätte berücksichtigt, dass in Japan selbst niedrigere Höchstwerte in Kraft gesetzt wurden.
Dort werden z.B. für Milch nur 300 Bq/kg akzeptiert, in Europa nun 500 Bq/kg. Außerdem hätte sich eine weitere Verordnung niedergeschlagen, die für die Tschernobyl-Altlasten seit Jahren nur noch 370 Bq/kg für Milch akzeptiert. Diese Uneinheitlichkeit der Höchstmengen trägt zur Verunsicherung der Verbraucherinnen und Verbraucher bei und muss schnell beseitigt werden.
Das Umweltinstitut München kritisiert darüber hinaus, dass die hohen Höchstmengen eines nuklearen Unfalls als Referenz herangezogen wird, nicht die vom Institut empfohlenen strengeren Grenzwerte von 30-50 Bq/kg Nahrung bei Erwachsenen und 10-20 Bq/kg bei Kindern, Stillenden und Schwangeren und 5 Bq/kg bei Babynahrung. Weiterer Kritikpunkt sind fehlende Höchstmengen für Strontium und Plutonium. Vor diesem Hintergrund können die Höchstwerte der Durchführungsverordnung bestenfalls vorläufig sein.
Handlungsbedarf der Verbraucherministerin
Zwar gibt es erst mit der Durchführungsverordnung vom 25. März 2011 auch neue Pflichten, die zu begrüßen sind: das Augenmerk auf japanische Lebensmittel, einen Labortest auch auf Jod-131 und eine Stichprobenquote von 10 Prozent. Doch Lücken und Widersprüche bei den Höchstwerten können nicht akzeptiert werden. Wir fordern Verbraucherministerin Aigner auf, umgehend auf eine Anpassung der Durchführungsverordnung hinzuwirken und dabei
- Radioaktivitäts-Höchstwerte für Lebensmittel aus Japan nach dem Vorsorgeprinzip so niedrig wie möglich zu halten und dabei die Erkenntnisse der japanischen Regierung zu berücksichtigen
- Höchstwerte und Untersuchungspflichten auch für Strontium und Plutonium festzulegen
- das wissenschaftliche Konzept zur Risikobewertung und Festlegung der Höchstwerte auf den Prüfstand zu stellen
- ein Verfahren für den Falle eines nuklearen Unfalls in Deutschland auszuarbeiten.
Verbrauchertipp
Klar ist, wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte keine japanischen Lebensmittel verzehren. Andererseits spielen japanische Lebensmittel in Deutschland eine untergeordnete Rolle. Es sind vor allem Spezialitäten wie Pilze, Gewürze, Saucen, Tees und Alkoholika. Bei frischer Ware ist Fisch betroffen. Das Risiko für die Gesamtbevölkerung wird von der Bundesregierung bisher als gering angegeben. In Japan auffällig kontaminierte Lebensmittel wie Spinat und Milch werden bisher nicht nach Deutschland importiert. Info: www.gruene.de