Der Internationale Frauentag wird 100 Jahre alt. Schon viel länger kämpfen Frauen für echte Gleichberechtigung. Die Frauenbewegung hat unglaublich viel erreicht. Die grüne Frauenquote ist ein Meilenstein, der erfolgreich vormacht, wie Gleichstellung gelingen kann. Seit 25 Jahren prägt sie grüne Politik und bringt andere in Zugzwang. Darauf sind wir stolz und auch daran wollen wir mit dieser Zeitreise zum Lesen und Aufhängen erinnern. Noch immer erhalten Frauen weniger Gehalt als Männer, sind unterrepräsentiert in Führungsetagen und haben weltweit weniger Rechte als Männer. Deshalb kämpfen wir weiter, wofür wir seit unserer Gründung stehen. Wir wollen, dass dieses Selbstverständnis endlich gesellschaftliche Normalität wird. Für eine gleichberechtigte Gesellschaft.
Herzlichst,
Astrid Rothe-Beinlich
Frauenpolitische Sprecherin des grünen Bundesvorstands
Die Chronik
1865 Gründung des „Allgemeinen Deutschen Frauenvereins“ mit dem Ziel, Bildungschancen und Berufstätigkeit von Frauen zu fördern.
1870 Im US-Bundesstaat Wyoming können Frauen erstmals in der Geschichte wählen.
1900 In Baden dürfen Mädchen erstmals höhere Jungenschulen besuchen und sich an Hochschulen immatrikulieren.
1911 Am 19. März wird der 1. Internationale Frauentag gefeiert. Die Sozialistin Clara Zetkin initiierte diesen Tag unter dem Motto: „Heraus mit dem Frauenwahlrecht!“
1918 Frauen in Deutschland erhalten das aktive und passive Wahlrecht. Ihre Stimme können sie erstmals bei der Wahl zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 abgegeben
1933–1945 Im Nationalsozialismus werden Einrichtungen und Frauenorganisationen von der NSDAP gleichgeschaltet, der Frauentag wird abgeschafft. Frauen verlieren bürgerliche Rechte wie etwa das passive Wahlrecht. NS-Frauenorganisationen vertreten ein Modell, das die Unterschiede der Geschlechter betont.
1946 In der sowjetischen Besatzungszone wird der Frauentag wieder eingeführt. Ein Jahr später wird dort der Demokratische Frauenbund Deutschlands (DFD) gegründet.
1949 Das Grundgesetz der BRD und die Verfassung der DDR werden verabschiedet.
Wusstest Du schon, dass …
… der Grundgesetzartikel „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ in der Verfassung der BRD fast nicht zu Stande gekommen wäre? Elisabeth Selbert, eine der nur vier Frauen im Parlamentarischen Rat, stellte den Antrag auf den neu zu formulierenden Artikel 3, Absatz 2. Die männlichen Abgeordneten lehnten dies strikt ab. Daraufhin startete Selbert eine Kampagne: Die 40.000 Protestschreiben von Frauen setzten die Abgeordneten so unter Druck, dass die Gleichberechtigung ins Grundgesetz aufgenommen wurde. Wesentlich reibungsloser und ohne großes Aufsehen wurde im selben Jahr in der Verfassung der DDR das Prinzip der Gleichberechtigung von Mann und Frau aufgenommen.Frauentag in der DDR
Von Astrid Rothe-Beinlich, Frauenpolitische Sprecherin des grünen Bundesvorstands: „In der DDR nannte sich der 8. März zwar „Internationaler Frauentag“, wurde aber zunehmend als eine Art sozialistischer Muttertag mit kollektiver Betriebsfeier – Urkunden und Auszeichnungen inklusive – begangen. Die Kinder bastelten in Schule und Kindergarten mit Nelken bestückte Glückwunschkarten. Unvergessen bleiben die obligatorischen Kulturprogramme mit DDR-Kinderliedern wie „Wenn Mutti früh zur Arbeit geht, dann bleibe ich zu Haus …“ oder „Meine Mutti ist Abteilungsleiter – alle Tage steht sie ihren Mann, …“ Trotz aller staatlicher Unterstützung bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Es waren die Frauen, die, vielfach alleinerziehend, eine Doppel- bis Dreifachbelastung zu bewältigen hatten, da sie selbstverständlich berufstätig, oftmals Mutter und für den Haushalt zuständig waren.“
1950 Mit dem Gesetz über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau werden in der DDR die ersten Grundlagen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geschaffen. Die Gleichzeitigkeit von Berufstätigkeit und Mutterschaft wird zum Leitbild. Bis heute gehen in Ostdeutschland wesentlich mehr Frauen mit Kindern einer Erwerbsarbeit nach.
1957 Die Römischen Verträge zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft legen fest, dass Männer und Frauen für gleiche Arbeit auch gleich bezahlt werden müssen. Bis heute ist dies jedoch nicht umgesetzt: Das sogenannte „Gender Pay Gap“ beläuft sich in Deutschland auf 23%.
1961 Elisabeth Schwarzhaupt wird erste Bundesministerin in der BRD. Bereits 1953 wurde Hilde Benjamin erste Justizministerin in der DDR.
1961 Die Firma Schering bringt am 1. Januar in BRD „Anovlar“ auf den Markt – die erste Antibabypille. Ab 1965 ist sie unter dem Namen „Ovosiston“ auch in der DDR verfügbar und wird dort kostenlos ausgegeben.
1968 Nachdem sich die Mitglieder des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds weigerten, die Forderungen des Aktionsrats zur Befreiung der Frau zur Kenntnis zu nehmen, wirft die Studentin Sigrid Rüger eine Tomate auf den SDS-Theoretiker Hans-Jürgen Krahl. Der Tomatenwurf gilt als Symbol für den Beginn der neuen Frauenbewegung.
1971 374 Frauen – darunter Romy Schneider und Senta Berger – bekennen am 6. Juni im Stern: „Wir haben abgetrieben!“ Sie protestieren damit für die Selbstbestimmung der Frau über ihren Körper und gegen die Verschärfung des Paragrafen 218.
1972 In der DDR tritt das Gesetz zum straffreien Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten in Kraft.
Wusstest Du schon, dass …
… nach 1974 in der BDR das Gesetz zum straffreien Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten zwar verabschiedet wurde, aber durch eine Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nicht rechtskräftig wurde? Erst nach langer Debatte wurde 1995 eine Regelung durchgesetzt, die den Abbruch bis zur zwölften Woche straffrei stellt, wenn die Frau zuvor eine Pflichtberatung in Anspruch genommen hat.
1977 Das neue Eherecht in der BRD schafft im Juli die „Hausfrauenehe“ ab. Bis dahin durften Frauen nur berufstätig sein, wenn ihr Ehemann es gestattet.
1977 Im Januar erscheinen die ersten Ausgaben der Frauenzeitschriften Courage und Emma.
Alice Schwarzer
Alice Schwarzer ist eine der wesentlichen Initiatorinnen der neuen Frauenbewegung. Sie organisierte Aktionen wie zum Beispiel die Prosteste gegen den §218 oder die PorNO–Kampagne von 1987 gegen die entwürdigende Darstellung von Frauen. Als eine der einflussreichsten und streitbarsten Journalistinnen und Feministinnen prägt sie das gesellschaftliche Klima entscheidend mit, zuletzt in der Feminismusdebatte von Familienministerin Kristina Schröder (CDU).
1978 Im Westen treten mehrere Familienrechtsreformen in Kraft. Kernpunkte sind unter anderem: der Gleichberechtigungsgrundsatz, Änderungen des Erbrechts, des Ehegüterrechts und des Scheidungsrechts.
1980 Am 12./13. Januar tritt in Karlsruhe der 3. Kongress der SPV (Sonstige Politische Vereinigung) zusammen und gründet die Bundespartei DIE GRÜNEN.
Petra Kelly
Eines der Gründungsmitglieder der GRÜNEN ist Petra Kelly. In einem offenen Brief an Helmut Schmidt kündigte sie ein Jahr zuvor „eine neue Form der politischen Vertretung“ an, „wo aber auch der Grundsatz von der Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen echt praktiziert wird“. Sie besetzt neue Themen wie Umweltschutz, Menschenrechte und Frauenfragen. 1982 wird sie mit dem alternativen Nobelpreis geehrt. 1983 zieht Petra Kelly mit den GRÜNEN in den Bundestag ein. Später wird Kelly zur Ikone der Friedensbewegung. Petra Kelly stirbt im Alter von 44 Jahren. Ihr Lebensgefährte Gert Bastian tötet sie im Schlaf und erschießt sich anschließend selbst.
1981 Das UN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) tritt in Kraft und wird von 186 Staaten ratifiziert.
1983 DIE Grünen ziehen am 6. März in den Bundestag ein. Der Frauenanteil im Parlament steigt durch sie zum ersten Mal auf zehn Prozent.
Die „unerhörte Bundestagsrede“
Mit ihrer ersten Bundestagsrede sorgt die grüne Abgeordnete Waltraud Schoppe 1983 für männliche Tumulte, weil sie eine „Bestrafung bei Vergewaltigung in der Ehe“ fordert. Von ihren Kollegen im Bundestag verlangt sie, „den alltäglichen Sexismus im Parlament einzustellen“, was zum Eklat im Parlament führt. Erst 1997 wird die Vergewaltigung in der Ehe strafbar.
1984 Die grüne Bundestagsfraktion wählt einen rein weiblichen Vorstand, das sogenannte Feminat.
1986 Das erste Bundesfrauenministerium wird eingerichtet.
1986 DIE Grünen verabschieden im September das Frauenstatut. So sind alle ungeraden Plätze auf Wahllisten Frauen vorbehalten, die grünen Gremien sind grundsätzlich paritätisch zu besetzen.Die Folge: In keiner Partei gibt es auch nur annähernd so viele einflussreiche Frauen.
Die grüne Quote
Von Renate Künast, Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion: „Eins haben wir GRÜNE mit der Einführung der Quotenregelung ganz klar gezeigt: Sie führt dazu, dass starke Frauen in die Positionen kommen, für die sie qualifiziert sind. Das gilt auch für mich. Wer meint, Quotenregelungen seien überflüssig, sollte sich den Frauenanteil im Bundestag anschauen: Bündnis 90/DIE GRÜNEN: 54,4%; Die Linke: 52,6%; SPD 38,4%; FDP: 24,7%; CDU/CSU 20,1%. Für mich ist klar: Die Quote ist kein Selbstzweck, sondern ein gutes Werkzeug, um männlich dominierte Strukturen, egal ob in der Wirtschaft oder in der Politik, aufzubrechen. Mit ihrer Einführung waren wir VorreiterInnen für ganz konkrete Frauenrechte. Die Hälfte der Macht den Frauen, dafür streiten wir.“
1989 Als organisatorisches Sammelbecken der autonomen Frauenbewegung der DDR wird kurz nach der Friedlichen Revolution im Osten der Unabhängige Frauenverband gegründet, der die Fraueninteressen am Runden Tisch vertritt
1992 Das Bundesverfassungsgericht kippt das Nachtarbeitsverbot für Frauen.
1993 Heide Simonis (SPD) wird erste Ministerpräsidentin eines deutschen Bundeslandes.
1993 auf dem Leipziger Parteitag wird die Fusion von BÜNDNIS 90 und den GRÜNEN zu BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen.
1994 Das Gesetz zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern tritt in Kraft.
Erster Aufschlag für den öffentlichen Dienst im Bund
Von Annelie Buntenbach, DGB-Vorstand: „Dieses Gesetz war ein wichtiger Schritt für die Gleichstellung im öffentlichen Dienst des Bundes: Von nun an konnten Frauenbeauftragte wirken. Ihre geheime Wahl und ein besserer „Betreuungsschlüssel“ wurden im neuen Gesetz 2001 verankert. Das Gesetz von 1994 schuf dafür die Basis. Es blieb mit zu vielen „Kann-Regelungen“ und keinerlei Quoten leider viel zu unverbindlich. Wir DGB-Frauen fordern verbindliche gesetzliche Regelungen für den öffentlichen Dienst und die private Wirtschaft und sagen auch heute Ja zur Quote für Frauen in Spitzenpositionen.“
1994 Jutta Limbach wird am 30. Juni als erste Frau Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts.
1995 Hannelore Ratzeburg wird als erste Frau in den DFB-Vorstand gewählt.
1995 Weltfrauenkonferenz in Peking.
Peacetrain
Von Barbara Lochbihler, Europaabgeordnete BÜNDNIS 90/Die Grünen: „Ich war damals Generalsekretärin der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF), und wie unsere Gründungsmütter kämpften auch wir mit außergewöhnlichen Aktionsformen für unsere Ziele. Also organisierten wir mit etwas Abenteuerinnengeist den Frauenfriedenszug: Rund 200 Frauen reisten 1995 von Helsinki auf Schienen zur Pekinger Weltfrauenkonferenz. Das war eine logistische Meisterinnenleistung, zumal wir über wenig finanzielle Mittel verfügten. Im Zug diskutierten wir viel und intensiv, auf unseren Zwischenstationen sprachen wir mit russischen, türkischen, rumänischen oder auch kasachischen Frauen. Viele Themen, mit denen wir uns damals beschäftigt haben, begegnen mir auch heute in meiner Tätigkeit als Europaabgeordnete wieder. Es war eine spannende und ermutigende Erfahrung.“
1998 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden erstmals Regierungspartei und beenden mit der SPD die Ära Kohl.
1999 Die rot-grüne Bundesregierung verabschiedet Gender Mainstreaming als Leitprinzip zur Gleichstellung zwischen Männern und Frauen.
2001 Rot-Grün verbessert mit dem Gesetz zur Elternzeit die Rahmenbedingungen für Väter und Mütter deutlich: Es gibt einen Anspruch auf Teilzeitarbeit mit Rückkehrrecht in den ersten drei Jahren für Mütter und Väter.
2001 Der Europäische Gerichtshof entscheidet, dass Frauen den Dienst an der Waffe leisten dürfen. Das bisherige Verbot wird aus dem Grundgesetz gestrichen.
2002 Das Gewaltschutzgesetz tritt in Kraft. Gewalttätige Partner können nun von der Polizei aus der Wohnung gewiesen werden. Die Opfer haben das Recht, im gemeinsamen Haushalt zu bleiben.
2003 Die deutsche Frauen-Fußballnationalmannschaft wird Weltmeisterin.
Fußball-WM
Von Claudia Roth, Parteivorsitzende BÜNDNIS 90/Die Grünen: „Als Deutschland die Frauenfußball-WM 2003 gewonnen hat, war die Freude groß. Für mich wäre die WM noch schöner gewesen, wenn das Team aus dem Iran mitgespielt hätte. Doch Frauen mit dem Traum, Fußballerin zu werden, haben es in vielen Teilen der Welt sehr schwer. Mich erinnert das an früher: Ich wollte – wie mein Onkel – Diplomatin werden. Er reagierte sehr skeptisch und meinte: „In vielen Orten der Welt kannst du als Frau dann nicht eingesetzt werden.“ Ich war natürlich empört und bin dann im Feminismus aktiv geworden und schließlich bei den Grünen gelandet. Bis Frauen und Männer überall gleiche Chancen haben, bleibt noch immer viel zu tun.“
2005 Angela Merkel wird erste deutsche Bundeskanzlerin.
2007 Das Elterngeld ermöglicht es auch Vätern, im Rahmen der sogenannten Partnermonate stärker als bisher Beruf und Familie zu vereinbaren. Das Elterngeld wird für zwölf Monate gezahlt. Dazu kommen zwei weitere Monate, wenn sich die Eltern die Betreuungszeit teilen.
2008 findet der erste „Equal Pay Day“ in Deutschland statt. Der Lohnunterschied von unglaublichen 23% zwischen Männern und Frauen wird skandalisiert.
2010 Die Grüne Jugend wählt eine weibliche Doppelspitze in ihren Bundesvorstand.
2010 Die Telekom führt als erstes deutsches Unternehmen eine Frauenquote von 30 Prozent für Führungspositionen ein.
Grün in die Zukunft.
Von Gesine Agena und Emily May Büning, Bundessprecherinnen der Grünen Jugend: „Wir halten Feminismus, Frauenrechte und den Kampf für Geschlechtergerechtigkeit für eines der wichtigsten Themen der heutigen Zeit. In der Grünen Jugend versuchen wir, Gleichberechtigung zu leben. Dass es mit uns zum ersten Mal in der Geschichte der Grünen Jugend eine weibliche Doppelspitze gibt, ist toll, aber es stieß teilweise auf Widerstand. Das zeigt umso mehr, dass wir weiterhin emanzipatorische Frauenpolitik machen müssen!“Auch 2011 … sind nur 29 von 906 AufsichtsrätInnen Frauen: Wir wollen das ändern und haben als einzige Fraktion bereits einen konkreten Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht.
Info: gruene.de